Sie sind keine Auszubildende mehr, keine Lehrlinge, die Jünger. Und doch müssen sie zunächst mühsam lernen, was es heißt, ohne Jesus, ihren Herrn und Meister, auszukommen. Das ist das Kennzeichen dieser Zeit zwischen Ostern und Pfingsten. Die „fünfzig Tage“ sind erste Tage der Selbständigkeit und gleichzeitig Tage der Öffnung für die andere Anwesenheit des Auferstandenen. Am Ende ist er im Heiligen Geist in ihren Herzen angekommen. Da bleibt für uns Heutige, für die Kirche, die Frage: Kann die lebendige Erinnerung an diese Zeitspanne aus der Begegnung mit dem Evangelium Hilfe und Impuls sein, dass auch in unseren Herzen Gottes Geist ankommt und damit der lebendige Christus in uns ist?
Wir sind unterwegs im Alltagsgeschäft unseres Lebens – Petrus macht es deutlich: „Ich gehe fischen“, sagt er, und andere gehen mit ihm (vgl. Joh 21,2f). Das Leben geht weiter, ganz gleich, was wir erleben, sei es Schönes oder Schweres. Und dann, so sagen wir ja auch, liegt es in unseren Händen, wie es weitergeht. „Von nichts kommt nichts!“ Nur einfach die Hände in den Schoß legen, bringt nichts. Verrückt spielen oder resignieren auch nicht. – Und dann geschieht es doch, dass die Netze leer bleiben, die Mühen ins Leere laufen, die Fragen größer werden und mögliche Antworten doch keine sind. Das kennen wir. Klar, es ist nicht immer so. Aber es gibt genügend Momente im Leben, die so oder ähnlich frustrierend sind. – Und dann, so behauptet es das Evangelium mit einem überraschenden allgemeingültigen Anspruch, steht der Auferstandene am Ufer, will sagen, er ist mit etwas Abstand da. Aber er bleibt nicht unbeteiligt. Er nimmt wahr und mischt sich ein.
Es ist die Erfahrung des Evangelisten, die sich hier verdichtet: Dort, wo wir nicht mehr weiterwissen, steht der, der uns ermutigt, die Netze noch einmal auszuwerfen für eine Erfahrung, die uns Gott entdecken lässt. Es ist die Erfahrung, dass das Eigentliche des Lebens Geschenk ist, das uns gegeben wird. Die Jünger handeln auf sein Wort hin und fangen so viel, dass die Netze zu zerreißen drohen.
Was die Jünger gerade in diesen Tagen nach Ostern lernen – obwohl sie ja keine Lehrlinge mehr sind – ist die schlichte Tatsache, dass der Herr da ist. Als Menschen, die mit ihm verbunden sind, bleibt er uns nahe. Er ist nicht einfach weg. Es mag einen gewissen Abstand geben, dennoch gilt es, auf ihn zu hören, sich nach ihm auszurichten und offen zu bleiben für ihn. Dann ist alles, was uns begegnet, auch Geschenk, ist nicht einfach nur gemacht und uns allein selbst zu verdanken, sondern Gabe der überreichen Fülle und führt uns zur demütigen Dankbarkeit. So wird das Leben selbst zu einem Geschenk, das im miteinander über uns hinausweist und uns verpflichtet, als Menschen füreinander da zu sein.
Was der Auferstandene während seines irdischen Weges nicht müde wurde als Teil des Reiches Gottes zu verkünden, bleibt auch jetzt: Die Gemeinschaft des Mahles, die Gemeinschaft der Sorge füreinander. Das wird noch einmal hervorgehoben: Jesus steht am Ufer an einem „Kohlenfeuer“. Und Jesus nimmt sich den zur Seite, der an einem anderen „Kohlenfeuer“ (vgl. Joh 18,18) nämlich im Hof des Hohepriesters bei der Gefangennahme Jesu, dreimal nicht zu ihm stehen konnte: Petrus. Und Jesus fragt ihn nun dreimal nach seiner Liebe. Petrus, wohl betroffen von der Erkenntnis aus dem Versagen und der Frage des Herrn antwortet: „Du weißt, dass ich dich liebe, dass ich dir freund bin“ (vgl. Joh 20,15-18). Jeder der Jünger und wir dürfen es auch auf uns beziehen, jeder und jede, die die Verbindung mit Jesus als dem Auferstandenen leben und diese Verbindung weitergeben möchte – wozu wir ja alle durch Taufe und Firmung berufen sind – ist auch gerufen, die Freundschaft mit dem Herrn zu suchen und zu leben. Freundschaft braucht Begegnung und Zeit, Ungezwungenheit und Vertrauen und nicht zuletzt Liebe.
Halten wir uns die Erkenntnis aus dieser Begegnung der Jünger mit dem Auferstandenen Herrn noch einmal vor Augen:
Der Herr ist da.
Er bleibt uns nahe.
Er leitet uns in die Gemeinschaft der Liebe und möchte, dass wir seine Freundschaft annehmen und mit allen Menschen teilen.
In seiner Enzyklika „Dilexit Nos“ („Er hat uns geliebt.“ Röm 8,37) schreibt Papst Franziskus: „Christus bittet dich, dass du dich ohne Scham zu deiner Freundschaft mit ihm bekennst, ohne es freilich an Klugheit und Respekt fehlen zu lassen. Er bittet dich, den Mut zu haben, den andere zu sagen, dass es dir gut tut, ihm begegnet zu sein.“ (Dilexit Nos, Nr. 211)
Lassen wir uns durch das Lebenszeugnis des verstorbenen Hl. Vaters Papst Franziskus ermutigen die Freundschaft mit dem Herrn zu leben und weiterzugeben.
Seien Sie gesegnet und behütet in der Liebe des Auferstandenen!
Ihr P. Guido