Fragen wir also danach, was die „Welt“ ist
Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit – A – Apg 1, 12-14 und Joh 17, 1-11a
Natürlich ist es ein besonderes Gebet, das wir da eben im Evangelium gehört haben. Aber es ist gleichzeitig noch mehr. Der Evangelist verdeutlicht: Die Jünger, die Christen müssen lernen, nach dem Geist zu fragen und sich ihm zu öffnen, der in ihnen den gekreuzigten und auferstandenen Herrn lebendig sein lässt und der ihnen hilft, mit der christlichen Botschaft und ihrem eigenen Engagement die „Welt“, will sagen alle Menschen, von Gottes Nähe und Liebe zu überzeugen. Das ist bis zu uns hin der Auftrag Jesu.
Das Gebet Jesu bringt es auf den Punkt, wenn Jesus davon spricht, was das Ziel des Lebens für die Menschen ist: „Das ist das ewige Leben, dass sie dich, den einzigen und wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus“ (Joh 17,3). Wenn wir auf diesem Hintergrund die eben gehörten Gebetsworte Jesu ernst nehmen, dann müssen wir fragen, was er damit meint, wenn er sagt: „…nicht für die Welt bitte ich…“ (Joh 17,9a). Fragen wir also danach, was die „Welt“ ist. Historisch in der Zeit betrachtet: Ist die Welt die Gesellschaft, vor allem die herrschenden Schichten Roms mit ihrer selbstverständlichen Verknüpfung von Götterglaube und Politik, die sich zunehmend bedroht fühlt von allem religiös anderen, das sich nicht absolut der vorgegebenen römischen Praxis der Religionsausübung unterordnet? (Wer dem Kaiser und den Göttern nicht opfert, der stellt das ganze Staatswesen in Frage!) Ist die Welt, das gesellschaftliche Umfeld, die Nachbarn, die Mitmenschen? Biblisch betrachtet bedeutet der Begriff „Welt“ bei Johannes nicht einfach die Wohnstätte der Menschen, sondern die Menschheit selbst, insofern sie sich in Sünde von Gott abgekehrt hat. Damals und heute gibt es Parallelen. Damals wie heute gilt: Die Menschen um die Christen herum sind für sie eine andere Welt – fremd und ungläubig – uninteressiert, manchmal abgewandt. Und so stellt das Johannes-Evangelium fest: Wer an Jesus glaubt, ist nicht von dieser Welt. Aber die Christen sind in dieser Welt also haben sie auch Teil an ihr (vgl. Joh 17,11a). Was bedeutet das?
Die Lektion des heutigen Evangeliums heißt so: Besinnt euch darauf, dass ihr zu Gott gehört! Besinnt euch darauf, dass ihr als Christen den Namen dessen tragt, der euch einen ganz neuen Blick auf Gott geschenkt hat. Deshalb sagt Jesus: „Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast“ (Joh17,6a). In diesem Sinn müssen wir fragen: Wo also bin ich und sind wir „Licht der Welt“ oder „Sauerteig“, der die Welt verändert (vgl. Mt 5,14; Mt 13,33)?
Diese Lektion gilt auch uns. Jesus will, so sagt es Johannes, dass wir – die Christen – vom Vater IN der Welt bewahrt werden und bleiben, dass wir zunächst einmal die Spannung zwischen der Sicht des Glaubens und der Sicht der Welt wahrnehmen müssen. Als Christen müssen wir diese Spannung annehmen und in ihr leben, um so mit Gott die Welt von innen heraus zum Guten zu begleiten. Ich finde es mehr als faszinierend: Trotz der zweitausendjährigen Geschichte des Christentums, trotz der Prägung der abendländischen Kultur durch das Christentum, ist das Christentum nicht einfach aufgegangen in unserer Kultur. Man könnte auch sagen: Die Welt hat ihren Himmel und ihre Götter behalten im Geld, in den Aktien, im Handel und in der Beherrschung des anderen, im Egoismus und ausuferndem Individualismus. Und wir, die Christen? Sind wir, wie es die Worte Jesu ausdrücken, zum Glauben gekommen, dass Jesus der Gesandte des Vaters ist? Sind wir jene, in denen er „verherrlicht“ ist? (Vgl. Joh 17,8.10). Oder haben wir uns als Christen der gottabgewandten „Welt“ zu sehr angepasst?
Das 2. Vat. Konzil, liebe Schwestern und Brüder, hat hier einen wichtigen Hinweis gegeben, der – wie ich meine – bedenkenswert ist: In der Konstitution „Lumen gentium“ – „Licht der Völker“ sprechen die Konzilsväter davon, dass die Kirche, die Gemeinschaft der Glaubenden, von Gott her ein Sakrament, also ein Heilszeichen für die Welt ist. Dort also, wo die Gemeinschaft der Glaubenden sich als Leib Christi von der Fülle der Liebe Gottes erfüllen lässt und aus ihr wirkt in der Welt, dort wird Gottes heilende Kraft für die Welt sichtbar und greifbar. Wir haben also mit den Symbolen und Zeichen unseres Glaubens, mit unseren Gottesdiensten, mit unserem Reden von Gott und mit unserem Engagement für die Menschen gewissermaßen in der Welt Orte zu schaffen, die Gottes Heilswillen für die ganze Welt erfahrbar machen. Und wo kann das sein? Wo wir selbstlos Gottesdienst feiern und beten, wo wir in der Begleitung von Kranken und Sterbenden seine Liebe leben, wo wir mit den Armen und Ausgegrenzten unser Leben und unsere Existenz teilen, wo wir miteinander über Gottes Nähe in unserem Leben sprechen, dort entsteht eine neue vielfältige Heimat des Lebens, die von Gott kommt. Unser Handeln als Christen muss dabei immer transparent sein und werden auf ihn, auf Gott hin. Wir stehen als Christen und als Kirche so an der Stelle Christi.
Natürlich ist es ein großes Problem, wenn gleichzeitig im Dunkel und im Schatten verbrecherisches Tun von Kirchenvertretern Kinder und andere Menschen zutiefst verletzen und all das auch noch institutionell vertuscht wird. Aber machen wir uns doch klar: Das und manches andere an Fehlentwicklungen und Sünde stecken auch in jedem von uns! Auch wenn man die Gemeinschaft der Kirche verlässt, nimmt man sich selbst mit. Wir sind durch Christus erlöst und dennoch immer der Umkehr bedürftig.
Das ist die heiligende Wahrheit, die Jesus nach den Worten des Evangeliums mitgeteilt hat und für die er den Weg des Kreuzes gegangen ist. Umkehr und Veränderung des falschen Lebens haben wir alle notwendig! Wir Menschen sind von Gott her nicht angelegt auf die kurze Zeitspanne irdischen Lebens, auch nicht auf die aufreibende Sucht und Gier nach kurzfristig befriedigendem Konsum und Genuss. Die Welt ist kein Götzentempel des menschlichen Egoismus und Individualismus. Sie ist und bleibt Aufgabe und Wegstrecke auf Gott hin und wir Menschen sind von Gott her ausgerichtet auf die universale Gemeinschaft des Lebens und auf Gottes zeitlos liebende Ewigkeit.
Es ist gut zu wissen, dass Jesus für uns betet und beim Vater eintritt für uns. Es hilft uns sehr, dass der Vater seine Hände über uns hält auf diesem Weg. Und wir wissen: Jesus selbst ist der Weg, die Wahrheit und das Leben! (Vgl. Joh 14,6).
Seien Sie gesegnet und behütet in der Liebe Gottes! Ihr P. Guido
Die Messtexte zum 7. Sonntag der Osterzeit:
https://www.erzabtei-beuron.de/schott/schott_anz/index.html?datum=2023-05-21