Es ist der Moment des Abschieds
Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit – B –
Apg 1,15-17.20ac-26; 1 Joh 4,11-16 u. Joh 17,6a.1-19
Es ist der Moment des Abschieds. Was soll in Erinnerung bleiben, was soll der andere von mir bewahren und weiterführen? Wie in einem Brennglas verdichtet sich, was sich über die Jahre gemeinsamen Lebens und einander Vertrauens entwickelt hat.
Genau das ist der Augenblick, in den wir jetzt hineingenommen sind in den Abschiedsreden Jesu am Vorabend seines Kreuzestodes. Große Begriffe wie Heiligkeit, Wahrheit, Offenbarung lassen uns die Bedeutung der Botschaft erahnen. Was führt die Jünger, die Gemeinde des Johannes und uns heute weiter?
Jesus wendet sich betend an seinen Vater. Er schaut auf das, was ihn selbst getragen hat und trägt selbst mit Blick auf den Tod. Jesus schaut auf das, was sich in seinem Leben als Lebensprinzip erwiesen hat: Jetzt geht es nicht um Anweisungen und mögliche Vorschriften! Solche Worte hat es genug gegeben. Für Jesus bleibt nur noch das direkte Gespräch mit seinem Vater, bleibt nur noch das Gebet. Und dieses Gebet hat es in sich. Wie Jesus immer in der Liebe des Vaters geborgen ist, sollen auch die Jünger nicht allein zurückbleiben, sondern sich weiterhin in ihrem Leben in der Welt begleitet und bewahrt wissen. Denn daran lässt Jesus keinen Zweifel: Der Platz seiner Gemeinde ist nicht herausgehoben aus allem, sondern mitten in der Welt. In ihr ereignet sich das christliche Leben: „Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahrst...“ (Joh 17,15). Der Ort jedes Christen, der Ort der Kirche ist also nicht der Rückzug in die privaten oder religiösen Innenräume, sondern mitten in der Welt, mitten in der Gesellschaft, mitten auch in all den Problemfeldern, die uns Angst machen und von denen wir uns lieber fernhalten würden. Das ist unbequem und für viele auch ungewohnt. Die oft sehr klaren und aufrüttelnden Worte und Gesten von Papst Franziskus erinnern uns immer wieder an den Auftrag, dem wir verpflichtet sind: Die Nöte der Menschen sehen, wahrnehmen, sich berühren lassen, die vielfältigen Formen der Armut spüren, Hass und Gewalt anprangern und etwas dagegen tun. Als Christen sind wir mitten hinein in diese Welt gesandt, die sich gegen das Leben stellt. „Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt“, sagt Jesus (Joh 17,18). Das ist eine große Herausforderung. Wie gut, dass Jesus selbst dafür einsteht: „…ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind“ (Joh 17,19). Die Heiligung in der Wahrheit, das ist seine Lebenshingabe im absoluten Vertrauen darauf, dass der Vater ihn im Abgrund des Todes auffangen wird.
Jesus betet. Er bringt sein konkretes Leben ins Wort. Er kümmerte sich fürsorglich um die Menschen, die ihm anvertraut waren. „Solange ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen... Und ich habe sie behütet und keiner von ihnen ging verloren, außer dem Sohn des Verderbens...“ (Joh 17,12). Man spürt, dass es ihm sogar um Judas leid ist... Und: „Ich habe ihnen dein Wort gegeben“ (Joh 17,14). In diesen Worten ist er selbst, sein Leben und Sterben, all sein Tun, sein Reden und Handeln. Ganz konkret hat er den Menschen gezeigt und vorgelebt, wie Gott für die Menschen ist. Denn er selbst ist dieses Wort Gottes, das Fleisch wurde und unter uns gewohnt hat.
Jesus ist in seinem Gebet ganz beim Vater. Mögen auch manche diese innige Verbindung mit dem Vater als anstrengende Last oder Mühsal interpretieren und sich deshalb vom Glauben abwenden. Für Jesus zeigt sich, dass diese innige Verbindung, der Beleg dafür ist, dass er nicht von dieser Welt mit all ihren lebensverneinenden Mächten herkommt. Die können nur durch das Tun der Liebe überwunden und zum Guten geführt werden. Heilsames Handeln aus der Liebe bringt dem eigenen Leben Sinn, vielleicht ungeahnte Qualitäten und eine neue Bestimmung. Wer sich zurückzieht, bringt keine Frucht und verdorrt. Genau deshalb bittet Jesus den Vater darum, dass alle, die ihm nachfolgen, seine „Freude in Fülle in sich haben“ (Joh 17,13). Die Freude mit Gott verbunden zu sein, die Freude eines Lebens in der Nachfolge Jesu, ist eine große lebendige und frohmachende Kraft, die das eigene Leben hell und strahlend macht: Ist doch das Evangelium frohe und frohmachende Botschaft! So werden die Dunkelheit und die Verzweiflung angesichts des Todes überwunden. Nicht zuletzt daran wird die Welt und das heißt auch konkret unser Umfeld, in dem wir leben, erkennen, dass der christliche Glaube den Menschen zum Leben, zu tiefer Hoffnung und zu innerer Freude befreit.
Jesus betet genau darum, dass diese Freude uns geschenkt wird. Wenn wir uns wirklich auf IHN und den VATER einlassen, dann spüren und erfahren auch wir sie in unserem Alltag: Sie wird dann greifbar, wenn eine vielleicht ganz unerwartete Helligkeit in unser Leben einbricht, sich eine neue Perspektive auftut, ein frohes Erfülltsein oder das unmittelbare Erleben einer tiefen Verbindung mit anderen Menschen. Solche Erfahrungen lassen tiefe Freude wachsen, die dann auch ausstrahlt in unsere Welt hinein. Diese Freude wächst aus der Verbindung mit Jesus und in ihm mit dem Vater. Sie ist das Geschenk des HEILIGEN GEISTES.
Ja, Jesus betet für uns. Sein Gebet führt uns weiter. Und wir dürfen uns mit seinem Beten verbinden. Bitten wir so inständig gerade in diesen Tagen vor Pfingsten darum, dass der Geist Gottes uns im Inneren bewegt und empfänglich macht für die Freude in Fülle, die Jesus uns schenken will.
Beten wir:
Komm Heiliger Geist, Lebensspender,
öffne das Herz,
bewege uns in die unendliche Weite Gottes und
in die Nähe der Liebe.
Lass in uns aufleuchten deine Kraft und
verwandle alles Erstorbene in die Fülle des Lebens.
Seien Sie so gesegnet und behütet! Ihr P. Guido