27. Sonntag im Jahreskreis (A) – Erntedank – Jes 5, 1-7 und Mt 21, 33-44
Der erste Sonntag im Oktober ist in vielen Gemeinden der Termin, an dem Erntedank gefeiert wird. Wir nehmen das auch in den Blick. In vielen Kirchen werden aus diesem Anlass Erntegaben zu einem Erntealtar aufgebaut. All die „Guten Sachen“ sollen darauf aufmerksam machen, dass es letztlich Gott ist, dem wir verdanken, was wir zum Leben und Genießen aus der Natur und mit unserer Hände Arbeit auf dem Tisch haben. Darüber hinaus kann uns „Erntedank“ auch ein Anstoß sein, die Verbindung zu Gott als dem Schöpfer lebendig zu halten. Er hat uns Menschen seine Schöpfung anvertraut, damit wir sie gut erhalten und so weitergeben an alle, die nach uns unsere Welt als ihre irdische Heimat gestalten und bewahren.
Die Lesung aus dem Propheten Jesaja und das Evangelium dieses Sonntags beschäftigen sich ebenso mit einer Gabe, die gleichzeitig Aufgabe ist. Die Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas überliefern das sogenannte Gleichnis „von den bösen Winzern“ (vgl. Mk 12, 1-12; Lk 20, 9-19 und Mt 21, 33-44). Die älteste Überlieferung ist jene von Markus. Matthäus und Lukas kannten sie wohl und haben sie entsprechend ihrer eigenen Verkündigungsabsichten angepasst.
Es ist das den Menschen um Jesus wohlbekannte Bild des Weinbergs. Der Prophet Jesaja hat als erster dieses Bild in einem Prophetenwort gebraucht (vgl. Jes 5, 1-7). Und jeder, der mindestens ein wenig die heiligen Schriften kennt, kennt auch dieses Bild. Der Weinberg ist aber im Gleichnis nicht einfach ein Bild für das Gottesvolk Israel. Genauso fehlt am Anfang des Gleichnisses die für Matthäus übliche Zuschreibung „mit dem Himmelreich ist es wie“. Die besondere Bundes-Beziehung Gottes zu seinem Volk, sie wird in das Bild des Weinbergs und derer, die dafür verantwortlich sind, hineingezeichnet. Damit wird auch hier der Kern der Botschaft Jesu sichtbar: Gott formt durch Jesu Wort eine neue Wirklichkeit des Bundes mit ihm: Das ist das „Himmelreich“, das „Reich Gottes“. Jesus spricht also zum einen die Ältesten und Hohenpriester als Verantwortliche für das religiöse Leben an und zum anderen alle, die der Gottesbund betrifft, also das ganze Volk Israel. Die Dramatik des Geschehens ist dazu angelegt, alle dazu zu bringen, auf Gottes Willen zu hören und ihr Leben und Denken neu auf den von Jesus verkündetet Gott auszurichten. Deshalb die äußerst drastischen und den Gutsherrn verachtenden Verhaltensweisen: In mehrfacher Steigerung „verprügelt“, „auf den Kopf geschlagen und geschändet“, „getötet“ und dann „getötet und den Leichnam geschändet“ wird der schreckliche Egoismus der Winzer gegenüber den Knechten und letztlich dem Sohn des Herrn und andererseits die Langmut des Gutsherrn geschildert. Der hätte schon viel früher kurzen Prozess machen können, um die unbotmäßigen Winzer von seinem Gut zu vertreiben. Aber es gehört zum dramatischen Aufbau des Gleichnisses, dass die Kritisierten selbst begreifen, dass sie gemeint sind und auch selbst die Antwort formulieren: „Er wird diese bösen Menschen vernichten und den Weinberg an andere Winzer verpachten, die ihm die Früchte abliefern, wenn es Zeit dafür ist“ (Mt 21, 41), so antworten sie auf Jesu Frage.
So wie Jesus die Einflussreichen und die Einfachen anspricht, wie er sie warnt und mahnt, ist ein dringender Aufruf zur Umkehr und Veränderung des Denkens. Ebenso ist das, was hier ausgesprochen wird, auch eine Mahnung an uns Christen heute, das große Geschenk des Gottesbundes in Jesus nicht zu vergeuden oder aus dem Blick zu verlieren. Es wäre zu kurz gegriffen, das Gleichnis nur als Trennungslinie zwischen dem Christentum und dem Judentum zu sehen. So ist das leider über weite Strecken der Auslegungsgeschichte interpretiert worden. Es ist vielmehr eine eindringliche Mahnung, die anvertraute Gabe des Glaubens auch als Aufgabe zu begreifen. Der Glaube an Gottes Liebe ist keine Versicherungspolice, die man getrost in einen Safe bis zu einer eventuellen Fälligkeit ablegen könnte. Er ist vielmehr Werkzeug, um im Weinberg des Gottesreiches zu arbeiten und so mitzuhelfen, dass dort Früchte wachsen und reifen können. Das Volk Gottes ist zu allen Zeiten berufen, am Reich Gottes und an der Vollendung der Welt mitzuarbeiten.
Es sind Früchte des Bundes mit Gott, also Früchte des gelebten Glaubens, die uns und die anvertrauten Gaben wachsen und reifen lassen. Die Verbindung mit Gott, der sich um die Menschen sorgt, weil er sie liebt, schafft im Menschen selbst das Bewusstsein, lieben zu können und so Gemeinschaft zu formen. Gläubig vertrauende Sorglosigkeit und verantwortungsbewusste Lebensgestaltung im Alltag sind Aspekte christlichen Lebens. Wer dankbar in der Nähe Gottes den Alltag seines Lebens in der Verantwortung der Liebe gestaltet, erfährt als Frucht des Glaubens zutiefst Freude und Gelassenheit. Indem wir den Blick auf Gott und seine sorgende Liebe in der eigenen Sorge füreinander und vor allem für die Schwächeren lebendig halten und mit Gott leben, erfüllen wir den Auftrag Christi zu Verwandlung der Welt.
Sagen wir nicht, das seien angesichts der Härten des Lebens nur fromme Worte! Solidarität mit den Schwächeren und gerechtes Umgehen miteinander, bringt tatsächlich mehr Frieden auch in unsere heutige gesellschaftliche Wirklichkeit. Die „bösen Winzer“ des Gleichnisses leben nur aus der Angst, sie hätten am Ende zu wenig persönlichen Gewinn vom Ertrag des Weinbergs. Sie verdrängen aus ihrem Bewusstsein, dass der Weinberg – der Bund mit Gott – das Reich Gottes – ihnen nur anvertraut und geliehen ist. Sie müssen scheitern.
Die Erde und die Schöpfung, ja, wir alle sind einander anvertraut und aufgegeben. Gott selbst hat in Jesus den „Eckstein“, den Baustein der Ausrichtung des ganzen Menschengebäudes gesetzt. Können wir seinen Bau-Plan missachten?
Ihnen eine gesegnete Zeit und bleiben Sie behütet!
Ihr P. Guido