„Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“
Auch dieser Adventssonntag kennt wie die Texte der beiden vorhergehenden Evangelien den lukanischen Perspektivwechsel. Noch einmal kommt der große Vorläufer Jesu, der Prophet Johannes der Täufer zu Wort. Die Menschen, die zu ihm kommen und seinen Aufruf zur Umkehr zu Gott in ihrem Leben hören, fragen nun, wie sie das anstellen können. Es geht also für sie wie auch für uns heute konkret um „adventliche Umkehr“. Diese adventliche Umkehr geschieht nicht nur im Herzen, sondern mehr noch im Verhalten. Zuerst einmal muss jeder sein tägliches Tun und Handeln überprüfen. Johannes überlegt mit jeder Gruppe seiner Zuhörerschaft genau, was für sie dran ist: Alle sollen teilen lernen, die Zöllner sollen korrekt vorgehen, die Soldaten gewaltlos und genügsam werden. Diese Forderungen hören sich bescheiden an. Der erste Schritt, das Verhalten zu ändern, ist meist nur klein, aber gerade er tut am meisten weh. Das wissen wir auch. Es sind nicht die großen Worte und Vorhaben, die das Leben tatsächlich verändern, sondern die kleinen Schritte im Alltag des Lebens. Der Theologe Romano Guardini (1885 – 1968) hat es einmal so gesagt: „Ob einer im Leben Ernst macht, das erkennt man nicht an den großen Entschlüssen, sondern an der kleinen Arbeit tagaus und tagein.“
Das prägende Stichwort des Täufers Johannes lautet: TEILEN.
Wenn ich also ein Mensch bin, der sich dem öffnet, was der auf uns zukommende Gott selbst ist, der muss sich unter das Prinzip des „Teilens“ stellen. Es ist ja Gott selbst, der sich nicht nur „mitteilt“, uns also etwas von sich sagt, sondern seine Existenz mit dem Menschen teilen will und teilt in Jesus.
Was also sollen wir tun? Aus dem Teilen folgt, gerechtes Maß halten und gewaltlos und anspruchslos handeln. Nehmen wir es persönlich: Kleidung und Nahrung teilen, Hab und Gut teilen, geistige und geistliche Güter teilen, die Erfahrungen des Lebens teilen, die Gerechtigkeit teilen, die Menschlichkeit teilen. Schon ein bescheidener Überfluss verpflichtet zum Teilen: Wenn einer einen Bissen Brot übrighat oder einen zweiten Rock – weg damit. Johannes erinnert an das, was eigentlich selbstverständlich sein sollte. Handfest ist das, was er zu sagen hat. Etwas für den Alltag des Lebens. Es sind tatsächlich direkte Anweisungen: Ermutigen, trösten, mitteilen, Austausch pflegen, menschlich und solidarisch sein. Und es ist zudem ganz konkret zugeschnitten auf jene, die fragen, denn hinter der Frage: „Was soll ich tun?“ steckt die wichtige Erkenntnis, dass Gott jeden und jede einzelne ganz persönlich anspricht.
Der angesprochene Perspektivwechsel, der dem Evangelisten Lukas so wichtig ist, er verdeutlicht, dass das Glaubensleben keine mystische Spinnerei und kein System frommen Getues ist, sondern sich im Alltag bewähren muss. Der Täufer Johannes nimmt das zermürbende und raue Berufsleben der Menschen in den Blick. Darin gilt es, den Willen Gottes zu erfüllen. Das, was für die Gemeinde des Lukas wichtig war, ist auch für uns heute entscheidend: Nicht in einer frommen Scheinwelt, sondern in der harten Realität des konfliktbeladenen Alltags sollen wir uns als Christen bewähren. Darauf gilt es, das Augenmerk zu richten!
Aber: Wird die Predigt des Täufers Johannes sich als nachhaltig erweisen? Die Erfahrung bis heute lehrt doch, dass dem nicht so ist. Auf seine Predigt bezogen, wird Johannes feststellen müssen: Die Zöllner werden weiter erpressen, die Soldaten werden weiter misshandeln und meutern, die Reichen werden weiter den Besitzstand wahren und mehren. Es bleibt sogar sein eigener Zweifel, wenn er später seine Jünger Jesus fragen lässt: „Bist du der Retter, der kommen soll oder müssen wir auf einen anderen Warten?“ (Vgl. Lk 7,19).
Bei uns ist es auch nicht anders. Jahr für Jahr hören wir die Botschaft. Was bleibt von ihr?
Nun, beim Täufer Johannes, so berichtet es Lukas, dachten die Menschen, er sei der kommende Messias. „Nein“, sagt er. Seine Selbsteinschätzung ist nüchtern. Er weiß um seinen Auftrag. Seine Predigt rüttelt die Menschen zwar auf. Aber bewirkt das eine grundsätzliche Änderung der Situation? Wie wird es am Ende aussehen? Auch das kennen wir Heutigen. Eigeninteresse geht vor Solidarität. Johannes ist ehrlich genug, sich das einzugestehen. Da muss schon etwas etwas Mächtigeres her. Appelle reichen nicht aus. Es sind nur Worte.
Nach dem Evangelisten Lukas bringt Johannes die Problematik jetzt auf den Punkt: „Ich taufe euch nur mit Wasser; er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ (Lk 3,16). Das ist der Unterschied: Es geht nicht um Macht oder um Zwang. Es ist wie der Unterschied von Feuer und Wasser, der Unterschied zwischen dem moralischen Appell und dem, was im Innersten des Menschen in Bezug auf seine Verbindung zu Gott geschehen muss. Da geht es nicht um das Befolgen von Geboten, auch nicht um besondere meditative oder spirituelle Techniken, sondern um die direkte Beziehung mit Gott, der sich dem Menschen mitteilt. Das ist Feuer, ist die von Gott kommende Kraft des Handelns, der Heilige Geist. Die Perspektive fokussiert sich auf eine Person: Auf Jesus. Jesus übertrifft Johannes nicht in der Radikalität seiner Lebensweise und Forderungen, sondern indem er als Gottes- und Menschensohn das Feuer des Heiligen Geistes konkret und greifbar hinzugibt, die Kraft des Glaubens und des Vertrauens, seine Verwurzelung in Gott, die wie von selbst das Handeln verwandelt.
„Ich taufe mit Wasser“ so sagt es Johannes. Der erste und notwendige Schritt ist die Umkehr und Reinigung. Aber das reicht nicht aus. Dazukommen muss die Beseelung mit dem Heiligen Geist. Das, sagt Johannes, kann ich euch nicht geben. Das muss ein anderer tun, ein Stärkerer als ich. Ich bereite ihm nur den Weg und weise auf ihn hin. „Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ (Lk 3,16c). Der zündende Funke dieses Feuers ist die Liebe Gottes, die sichtbar wird in der Menschwerdung Gottes in Jesus. Er wird zur Flamme, in der sich die Reinigung vollendet, in der alles, was das Leben hindert bis hin zum Tod, vernichtet wird.
Das ist die Botschaft nie endender Freude und ihr Licht beendet das Dunkel!
Weiter eine gesegnete Adventszeit und bleibt behütet!
Ihr P. Guido