Predigt zum 3.Sonntag im Jahreskreis – A – Jes 8, 23b – 9, 3 und Mt 4, 12-17 (Kurzfassung)
Heute werden in der Lesung aus Jesaja und im Evangelium des Matthäus „das Land Sebulon und Naftali“ genannt. Von diesem Landstrich, der westlich vom See Genezareth liegt, erfahren wir in der Lesung, dass Gott ihn vorübergehend „verachtet hat“ und dass er später wieder „zu Ehren“ gekommen ist. Das Evangelium sagt nun, worin diese Ehre besteht: Jesus beginnt in dieser Gegend – nach der Gefangennahme Johannes des Täufers – mit seiner öffentlichen Wirksamkeit, und die Menschen dieser Gegend sind die ersten, die seine Worte hören: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe!“ (Mt 4, 17).
Um die bei Jesaja angedeuteten Zusammenhänge zu verstehen, ist es notwendig, einen Blick in die Vergangenheit Israels zu werfen. Im Jahre 732 v. Chr. hatte der Assyrerkönig Tiglatpileser III. Teile des israelitischen Nordreiches (u.a. das Siedlungsgebiet der Stämme Sebulon und Naftali) erobert. Die dortige Bevölkerung wurde verschleppt und an ihrer Stelle Menschen aus anderen Völkern angesiedelt. Die Verschleppten des Gottesvolkes fühlten sich ins „Dunkel“ der Geschichtslosigkeit und der Gottesferne gestoßen, eben ins Land des Todes und der Finsternis.
Mit Blick auf diese Situation erhebt der Prophet Jesaia seine Stimme. Er verkündet eine Trostbotschaft, die in kraftvollen Bildern das Los der Deportierten und das wunderbare Eingreifen Gottes beschreibt. Die Israeliten kommen sich wie Arbeitstiere vor, die in ein Joch gespannt sind und einen Pflug ziehen müssen, den Stachel des Treibers im Nacken. Jesaia sagt: Gott wird dieses Joch zerbrechen. Er wird mit seinem Licht plötzlich, in einem Akt der Überrumpelung, in das „Land der Finsternis“ hineinfahren. Und er wird dabei auch die Herzen seiner Kinder hell machen: An die Stelle der jetzigen Trauer wird Freude treten, „große Freude und lauter Jubel“, wie man sie beim Einbringen der Ernte oder als Krieger beim Verteilen der Beute erleben kann. Und wenn jemand skeptisch ist (weil die Feinde gar so mächtig sind), dann möge er an den „Tag von Midian“ denken, also an den Richter Gideon, der mit nur 300 Mann ein riesiges Heer besiegte, weil Gott auf seiner Seite war (vgl. Ri 6-8 insbes. 7).
Es ist ein starkes Bild, dieses Jesaja-Zitat: „Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlt ein Licht auf“ (Jes 9, 1), so übersetzt die neue Einheitsübersetzung. Nun: Nicht nur damals, auch heute ist unsere Welt immer noch voll von Völkern, die in Finsternis leben, voll von Menschen, die der Todesschatten niederdrückt und das ohne die geringste Aussicht auf ein helles Licht. Kriege, Terror, Vernichtung, Angst, das sind immer wieder erschreckende Begriffe der Wirklichkeit und künden von Dunkelheit und Tod. Offensichtlich konnten auch zwei Jahrtausende Christentum nichts daran ändern. Also müssen wir danach fragen, wie es denn mit dem „hellen Licht“ bestellt ist, das hier angekündigt wird, und was es denn mit dem „Himmelreich“, das Jesus ansagt auf sich hat. Stellen nicht die lebensunwürdigen und vielfach menschenverachtenden Zustände in vielen Teilen unserer Welt, in der es immer nur Wenigen gut geht, die Glaubwürdigkeit unseres christlichen Glaubens in Frage? Strafen sie das Evangelium nicht Lügen? Und das auch noch in und mit einer kirchlichen Gemeinschaft, die selbst gebeutelt und gedrückt wird von Dunkelheiten verschiedenster Art! Viele fragen danach: Was ist das für ein Gott, der Gutes verspricht, aber dieses Versprechen nicht einlöst? Täuschen wir uns nicht: An diesen bedrängenden Fragen scheitern viele, gar zu viele in ihrem Glauben.
Kehren wir zum Evangelium zurück. Mit einer Antwort, die überzeugen will, tritt Jesus nach den Worten des Matthäus auf: „Kehrt um!“ heißt der Appell, den er an seine Hörer richtet. „Das Himmelreich ist nahe“ (Mt 4, 17). Beides müssen wir zusammen sehen. Jesus will wachrütteln und in Bewegung setzen. „Kehrt um!“ – Wir selbst sollen unser Verhalten ändern, damit das angekündigte Reich der Himmel Wirklichkeit werden kann. Es soll und kann ohne uns Menschen anscheinend gar nicht verwirklicht werden. Denn das von Jesus angekündigte Reich ist ja kein Schlaraffenland, in dem einem die gebratenen Tauben zufliegen, einfach so. In jenem Reich gibt es keine ferngesteuerten, leblosen Marionetten. Es sind Jesu Jünger, es sind die Christinnen und Christen aller Zeiten, die gerufen sind, dieses Reich mitzugestalten, das heißt, auf alle erdenkliche Weise und mit viel Fantasie das Leben und das Heil – sagen wir's kurz und knapp: Das Glück der Menschen zu mehren. Jeder ist da persönlich angesprochen, das Seine beizutragen. Ganz sicher auch materiell und finanziell, vor allem aber durch Kreativität, sprich Einfallsreichtum, durch Hilfsbereitschaft und Übernahme von Verantwortung, wovor sich so viele gerne drücken, durch angstfreies Zupacken, durch wohlwollendes Vertrauen anderen gegenüber und durch die Ermunterung der Zaghaften und Zögerlichen. Das „Himmelreich“ das Jesus ankündigt, wächst dort, wo wir uns mit ihm konsequent auf die Seite des Lebens stellen und denen – ganz gleich wo – ins Angesicht widerstehen, die es behindern und nur aus egoistischen Motiven reglementieren. Wenn Jesus durch seinen Umkehr-Appell die Menschen in die Gestaltung des „Himmelreiches“ miteinbezieht, so heißt das gewiss nicht, wir es „machen“ könnten. Mit IHM beginnt es und nur mit IHM wird es vollendet. Niemals ist da einer sich selbst überlassen in seinen Nöten und seiner Mühe. Vielmehr darf jeder und jede im eigenen Bemühen, im guten Willen, Jesus an der Seite wissen; mit seinem, das heißt Gottes Beistand darf, ja muss er oder sie rechnen. Das ist die Perspektive, die der Hinweis des Propheten auf den Sieg des Richters Gideon eröffnet.
Dabei will Matthäus vermitteln, dass wir Jesus als ein Licht empfinden, als eine buchstäblich umwerfende Himmelskraft, die so wirkmächtig und schöpferisch ist wie das göttliche „es werde Licht!“ (vgl. Gen 1) am Anfang der Schöpfung. Ermutigung, Leben, Freude und Jubel soll uns dieses Licht vermitteln. Es soll die guten Kräfte unseres Herzens aktivieren und uns mit dem Vertrauen erfüllen: „Gott ist mit uns. Er macht meine Finsternis hell, Mit ihm erstürme ich Wälle und überspringe Mauern“ (Ps 18, 29). So sollen wir mittun am Aufbau des Himmelreiches.
Also: Auch wenn wir uns als solche sehen, die noch „im Dunkel und im Schatten des Todes" wohnen, tröstet uns Jesaia und ruft uns zu: Gebt die Hoffnung nicht auf! Gott prüft euch nicht über eure Kraft. Er wird euch wieder „zu Ehren“ bringen und eure Trauer in Freude verwandeln, wie er es vorzeiten mit seinem Volk gehalten hat. Der Evangelist Matthäus toppt das noch: Allen gilt das, was Gott mit seinem Sohn tat, den er aus der Finsternis des Todes ins Licht des Ostermorgens rief. Danken wir also besonders für den, der als „Licht der Welt“ zu uns gekommen ist und bei uns bleibt alle Tage unseres Lebens, Jesus Christus, unseren Menschenbruder und Herrn.
Seien Sie so gesegnet und behütet! Ihr P. Guido