Predigt zum Pfingstfest – C – Apg 2,1-11; Röm 8,8-17 u. Joh 20,19-23
Ist es Ihnen aufgefallen? Nun, das Evangelium, das wir eben hörten, ist das von Ostern. „Am Abend des ersten Tages der Woche…“ (Joh 20,19a). Es schließt nahtlos an die Szene der Begegnung der Maria von Magdala mit dem Auferstandenen am Ostermorgen (vgl. Joh 20,1-18). Dabei hat sie, wie es der Herr von ihr verlangte, den Jüngern ja berichtet, was er ihr aufgetragen hatte. Der Herr lebt! Trotzdem sind sie aus Furcht hinter verschlossenen Türen zusammen, so, als wäre ihnen durch den Tod Jesu sogar der Lebensatem genommen. Was Lukas in der Apostelgeschichte mit großem Getöse und Sturmgebraus dramatisch darstellt, eben die „Herabkunft des Hl. Geistes“ (vgl. Apg 2,1-11), die Neubelebung, die Zukunft, das ist bei Johannes „nur“ ein Hauch. Ein Hauch? Hören wir genau hin: „Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte: Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten“ (Joh 20,22-23). Verstehen wir – besser noch „begreifen“ wir, was da gesagt wird und was das „neue Leben“ von Gott her ausmacht? Nun, mit Blick auf den Begriff „Sünde“ ist da eine Engstelle, an der viele heutzutage doch eine irrige Vorstellung haben. „Sünde“ – was bedeutet dieser Begriff? Man mag an Vergehen oder Fehlverhalten in allgemeinen Moralvorstellungen oder gesetzlichen Paragraphenwerken denken – da hat man sich, um Beispiele zu nennen, durch Verletzung von Vorschriften im Straßenverkehr, oder im Gemeinwesen oder konkret in kriminellem Tun schuldig gemacht und hat nun bei Anklage Strafe zu vergegenwärtigen. Aber „Sünde“ als religiöser Begriff bedeutet grundsätzlich anderes. „Sünde“ meint, wie schon im Wort vorhanden, „sich absondern“: Sich bewusst und in freiem Tun „absondern“ von Gottes gutem Willen, von seiner Weisung, von seiner Liebe, vom Weg mit ihm, aus der Gemeinschaft mit ihm. Dieses „absondern“ verhindert und widerspricht dem Leben, dessen Schöpfer ja Gott ist. Die einzelnen Aspekte dieses „sich absonderns“ sind konkrete Taten (Akte des freien menschlichen Willens), die der Korrektur bedürfen, um wieder umzukehren auf den Weg zu und mit Gott, hin zum Leben. Genau hier hat Gott selbst den Weg in Jesus, in seinem Leben, Sterben und Auferstehen bereitet. Oder wie Jesus im Johannesevangelium auch sagt: „Ich bin der Weg“ (Joh 14,6).
Und jetzt sind wir auf der richtigen Spur, was das Leben und den Lebensatem betrifft. Die Begegnung und die Gemeinschaft mit Jesus öffnen den Weg zu Gott, zum Vater. Was er selbst immer wieder getan hat, dass er heilte und vor allem die Sünde vergab – am Kreuz hat er die Abkehr von Gott – die Sünde – in ihrer lebensvernichtenden Tödlichkeit auf sich genommen, um sie im Tod und in der Auferweckung durch den Vater zu besiegen – genau das vertraut er den Jüngern an, aber nicht als ihre Gabe, sondern als Gabe des Heiligen Geistes. Deshalb können wir sagen, dass Jesus selbst im Heiligen Geist in den Jüngern anwesend und tätig ist und damit natürlich auch der Vater selbst. Ein Lebenshauch darf durch uns gehen, ein Aufatmen, Leben wird spürbar, die Verschlossenheit aus Angst oder Furcht wird aufgebrochen.
„Empfangt den Heiligen Geist!“Das Trennende, das was „absondert“, die Sünde also, das, was hindernd, ja lebensverhindernd zwischen Gott und Mensch steht, wird weggenommen. Das, was das Leben verhindert, löst sich auf wie dicke Luft oder gar tödlicher Nebel und schwindet. Das müssen wir tief in uns hineinholen. Denn das ist die Chance, die Gottes Geist in der Gabe des Pfingstfestes einem jeden von uns schenkt. Und wie können wir diesen Hauch des Lebens unmittelbar spüren und begreifen? Wenn wir danach fragen, „Wohin?“ der Herr auferstanden ist. Es gibt da die Antwort des Glaubensbekenntnisses, die wir kennen: Er ist „aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters." Himmelfahrt feiern wir das. Aber das ist nicht alles. Bei weitem nicht! Gerade in den Abschiedsreden des Johannesevangeliums antwortet Jesus mit der von Herzen kommenden Antwort: „Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14,22f). Da wird es gesagt, Buchstabe für Buchstabe und von Herz zu Herz: Jesus Christus ist auferstanden in uns hinein, um Wohnung zu nehmen in unseren Herzen: „Er, der am Kreuz für mich Gestorbene, führt nun als Auferstandener sein Leben in mir."
„Das ist die … Antwort, mit der dieses Fest-Geheimnis uns konfrontiert," schreibt der Theologe Eugen Biser (1918-2014),„und es ist zugleich die beglückendste. In unserem Innersten will er Wohnung nehmen. In unserem Herzen will er ... aufs Neue geboren werden, aufs Neue heranwachsen, aufs Neue reifen in Weisheit und Gnade (vgl. Lk 2,40), aufs Neue uns belehren mit der Stimme des inwendigen Lehrers, aufs Neue uns seine Kraft zuwenden, allerdings dann auch aufs Neue leiden, um mit uns zu sterben, und schließlich uns hinein zu nehmen in seine Auferstehungsherrlichkeit." (Eugen Biser „Erfüllte Zeit“, München 1998, S.186 – Schon vergangenes Jahr habe ich auf dieses wunderbare Buch hingewiesen.)
Das ist die Botschaft des Pfingstfestes. Sie ist eine Botschaft des Neubeginns, eine Botschaft des Aufatmens, ein Schlüssel zum Leben, der Lebenshauch Gottes. Die Frage, wer denn der Heilige Geist ist, beantwortet sich ebenso: Gott selbst, die Fülle des Lebens, der Vater, der alles geschaffen hat, der Sohn, der in uns wachsen und werden will auf unserem Weg des Christseins und die Kraft, die Vater und Sohn in uns lebendig sein lässt. Was wir im Lied singen, trifft es:
„Atme in uns, Heiliger Geist, brenne in uns, Heiliger Geist, wirke in uns Heiliger Geist, Atem Gottes komm!
Komm, du Geist, durchdringe uns, komm, du Geist, kehr bei uns ein, komm, du Geist, belebe uns, wir ersehnen dich.
Komm, du Geist der Heiligkeit, komm, du Geist der Wahrheit. Komm, du Geist der Liebe, wir ersehnen dich.
Komm, du Geist, mach du uns eins, komm, du Geist, erfülle uns. Komm, Du Geist, und schaff uns neu, wir ersehnen dich.“ (Gotteslob Nr. 346)
Ihnen eine gesegnete Zeit und bleibt behütet!
Ihr P. Guido