Predigt zum 6. Sonntag der Osterzeit – C –
Apg 15,1-2.22-29; Offb 21,10-14.22-23 u. Joh 14,23-29
Glaubt man den Worten des Lukas in der Apostelgeschichte, dann beginnt schon recht früh in der jungen Kirche die Diskussion darüber, wie der rechte Weg der Nachfolge Jesu geht. Was wir in der heutigen Lesung aus eben der Apostelgeschichte hören, ist ein Beleg für das Ringen der Christen in der frühen Zeit des Christentums um eben diesen Weg. Wir stehen bis heute in diesem Ringen, das unseren Weg mit dem auferstandenen Herrn bis hin in die erfüllende Vision der Offenbarung des Johannes ins himmlische Jerusalem begleitet und auch weiterhin begleiten wird. Für die gute Gestaltung dieses Weges brauchen wir die besondere Verbindung mit Christus und auch die Kraft, die er uns vom Vater her versprochen hat zu senden, den Heiligen Geist.
Am Abend des Abschieds im Abendmahlssaal spricht Jesus in besonderer Weise Heiligen Geist. Er öffnet in dieser Situation des Abschieds seinen Jüngern und damit auch uns den Blick auf sein Innerstes. Und da ist ein Raum. Es ist der besondere Raum der Beziehung: Vater, Sohn und Geist. Das Wort, das Jesus spricht, ist das Wort des Vaters. Dieses Wort ist wie die Saite eines Instrumentes, die zum Klingen kommt und das ganze Instrument zu einem Raum der Musik macht und die innere Harmonie nach außen weitergibt, das ist Werk des Sohnes. Das, was den Schall der Harmonie und die Melodie im Material und in die umgebende Luft weiterträgt ist der Geist. Er ist der Träger des Wortes und der Melodie.
Sein Wort, Gott selbst, der Sohn, der Vater, der Heilige Geist... All das klingt zusammen in der Resonanz der inneren Beziehung. Deshalb sprechen wir vom Weg Jesu als einem Weg der Beziehung und Verbindung, einem Weg der Versöhnung und der Liebe und des Friedens, einem Weg, der Gott und den Menschen und die ganze Schöpfung zusammenführt und neu schafft. Dieser Weg muss vom auferstandenen Herrn her der Weg der Gemeinschaft der Jünger, der Kirche sein. Und wer diesen Weg geht, der muss genau wie Jesus Weggefährtinnen und -gefährten finden, Freunde, die dieses innere Klingen bei den Menschen suchen, es miteinander teilen und weitersuchen in der Welt und über die Welt hinaus. Hier findet sich eine Brücke zu allen Menschen, die Gott suchen, auch zu jenen, die gar nicht wissen, dass sie Gott suchen, aber nach Versöhnung, Frieden und Liebe streben.
Wer mit Jesus geht und gehen will, muss auf dem Weg bleiben, muss unterwegs bleiben – deshalb ist keine Kirche aus Stein oder als Institution das Ziel, sondern das Reich Gottes, so wie es die Worte aus der Offenbarung des Johannes schildern: Die Stadt Gottes, die keinen Tempel mehr braucht, weil Gott selbst ihre Mitte ist, ihr Licht und ihre Herrlichkeit (vgl. Offb 21,22f). Es ist unsere Mission, unser Auftrag als Christen diesen Weg zu suchen und zu gehen.
Wenn uns das zu fromm, zu theoretisch und zu wenig konkret in unserer verdinglichten Welt klingt, dann ist es sinnvoll direkt sich zu dem hinzuwenden, was Jesus hier sagt: „Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; …“ (Joh 14,23a). Das ist der Ankerpunkt: Das Wort Jesu „fest-halten“, das bedeutet, es geht darum, Jesu Zusage der lebendigen Verbin-dung mit ihm und mit Gott im Innersten zu bewahren. Aber nicht so wie man ein Museumsstück aufbewahrt, das man ab und an aus dem Schrank holt, um es beschaulich anzusehen. Vielmehr muss das Wort des Herrn in unserem Leben das sein und werden, was das Wort Jesu wirklich ist: Lebendiges Wort. Sein Wort will – und das ist dann das Werk des Heiligen Geistes – gesprochen und gehört werden, es will erinnert und miteinander bedacht werden, es will in unsere Zeit und in unser Denken hinein geholt und übersetzt werden, damit wir es als lebendig erfahren. So komme ich wieder zum Bild des Resonanzraumes der lebendigen Beziehung. Das ist Aufgabe, besser, ist Lebensatem der Gemeinschaft des Glaubens, der Kirche. In unserem Fühlen, Beten, Sprechen und Erinnern des Gotteswortes wird nach den Worten Jesu der Heilige Geist uns alles lehren und an alles erinnern, was er, Jesus, vom Vater her gesagt hat. Für Jesus geht es um das Miteinander und um die Beziehung, die im Gespräch und im Tun ein Weg zum Raum der Liebe ist und so der göttliche Raum in dieser Welt. Die Jünger und alle, die dem Herrn folgen müssen also sein lebendiges Wort in ihrem Herzen bewegen und sich von ihm bewegen lassen. Wer also mit dem auferstandenen Herrn unterwegs ist, der muss begreifen, dass es nicht um fertige und schnelle Antworten auf diesem Weg gehen kann, die man abhaken und flott hinter sich lassen könnte. Es geht um die immer neue Melodie eines Gottes- und Glaubensliedes nicht nur für unsere Zeit, eines Liedes, das Jesus vom Vater her in der Ewigkeit im Vertrauen auf den Beistand des Heiligen Geistes angestimmt hat, ein Lied, das die Kirche aufgenommen und über die Zeit weitergesungen und weitergetragen hat und das wir heute ebenso aufnehmen und in uns klingen lassen dürfen und müssen. Es ist das große Geschenk des Friedens, das vom Auferstandenen an die Jünger übergeben wird (vgl. Joh 14,27). Der Friede, der aus der Beziehung der Liebe in Gott erwächst, der seine Entsprechung im Fühlen, Denken und Sprechen aller in der Kirche finden muss. Im Herzen, im innersten Raum hat dieser Friede seine Heimat, von dort will er weitergeben werden. Er wird dann weitergegeben, wenn wir unser Fühlen und Denken und Sprechen dem Anliegen des Friedens unterordnen und so friedvoll und gut miteinander umgehen, voneinander denken und ebenso mit- und voneinander sprechen.
Wir sind aufgerufen, in unserem Beten, Sprechen und Handeln dieses Lied als große Melodie der Liebe und des Friedens weiter klingen zu lassen und mit allen Menschen guten Willens zu teilen. Es ist großartig, wenn unser neuer Hl. Vater Papst Leo XIV. allen Menschen dieses Lied des Friedens des auferstandenen Herrn zugerufen hat und zuruft. Auch wenn es noch so viele Schwierigkeiten und Probleme gibt, die Dunkelheit und das Böse werden nicht siegen. Seien wir also nicht beunruhigt und nicht verzagt. Vertrauen wir auf den Herrn. Er ist mit uns unterwegs.
Seien Sie gesegnet auf dem Weg mit dem Herrn und behütet!
Ihr P. Guido