Predigt zum 3. Adventssonntag – B – Jes 61,1-2a.10-11; 1 Thess 5,16-24 u. Joh 1,6-8.19-28
Noch einmal begegnet uns heute der Täufer Johannes. Neben dem Propheten Jesaja ist er die Adventsgestalt. Der Ansager ist er, das lebendige Hinweiszeichen – so wie ihn Matthias Grünewald um 1512 auf dem Isenheimer Altar gemalt hat –, der Mann mit dem ausgestreckten Zeigefinger. Der Blickwinkel des Johannesevangeliums ist allerdings anders als der des Markustextes. Bei Markus kommt dem Täufer die Prophetenrolle zu, die wie eine Brücke aus der Geschichte des Gottesvolkes in die Zukunft zu sehen ist: Die Verheißungen Gottes erfüllen sich in Jesus. Bei Johannes ist der Täufer derjenige, der als Person ganz zurücktritt hinter seinen Auftrag: „Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht“ (Joh 1, 7f.). Johannes - allein schon sein Name verdeutlicht, worum es in der Folge, nicht im eigenen Leben, sondern im Leben Jesu Christi, für den er einsteht, gehen wird: „Johannes“ - „Jochanan“ im Hebräischen bedeutet: „Jahwe ist gnädig, gütig.“ Der bezeugte Glaube an den sich dem Menschen zuwendenden Gott, ist der richtige Weg, Gott zu erkennen, und dieser Weg ist Jesus selbst (vgl. Joh 14,6). Deshalb muss auch nach dem Evangelisten mit dem Auftreten des Täufers sofort Klarheit über seinen Auftrag geschaffen werden. Die mehrfache Frage: „Wer bist du?“ (Joh 1,19f) ist Beleg dafür. Und jedes Mal bekennt der Täufer: „Ich bin es nicht!" - nicht Elija, der wiederkommen soll; nicht der Prophet, wie Mose ihn einst im Anblick des gelobten Landes verheißen hatte (Dtn 18,15-18); und auch - ganz gewiss und eindeutig - nicht der Messias (vgl. Joh 1,20-23).
Die Stimme des Rufers ist die Stimme des Zeugen. Natürlich sind die Fragesteller verwirrt. So wollen sie Auskunft haben, warum Johannes tauft, wenn er nicht der ist, nach dem sie fragen. An dem Begriff „taufen“ bleibe ich hängen. In der griechischen Übersetzung des Alten Testamentes kommt das Wort „baptizejin“ – „taufen“ dreimal in der Bedeutung eines Reinigungsrituals durch Untertauchen in Wasser vor (2 Kön 5,1f; 2 Kön 5,14 u. Ps 51,9), durch das von Gott Heil und Heilung geschenkt wird. Im Christentum ist die „Taufe“ das entscheidende Verbindungszeichen mit Gott vergleichbar der Beschneidung im Judentum. Die „Taufe“ ist das Zeichen des Glaubenszeugnisses für Christus. Was also bedeutet es dann, wenn jene, die den Täufer Johannes fragen, warum er tauft, eine besondere Bestätigung haben wollen? Offensichtlich geht es hier genau um die christliche Taufe als dem schon genannten Verbindungszeichen des Glaubens, denn darauf deutet das Handeln und die Aussage des Täufers hin, wenn er sagt: „Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt und der nach mir kommt" (Joh 1,27). Johannes ruft also zur Umkehr und tauft, um von Christus Zeugnis zu geben und auf ihn zu zeigen – über sich selbst hinaus –, dazu ist er gesandt.
Damit wird der Wüstenprediger zum ersten Christuszeugen des Neuen Testamentes. Und direkt zu Beginn seines Evangeliums macht der Evangelist Johannes damit gleichzeitig deutlich, was christliches Leben, Leben der Gemeinde, der Kirche ausmachen soll: Zeugnis zu geben von IHM, der kommen wird und der bereits mitten unter uns ist.
Was der Täufer Johannes dann denen sagt, die zu ihm in die Wüste an den Jordan gekommen sind, die also aus ihrem normalen Lebensumfeld, aus ihren Wohnungen, aus ihren Dörfern und Städten sich aufgemacht haben zu diesem Rufer, trifft nicht nur für sie zu, sondern für die Christen in der Gemeinde des Evangelisten wie auch für uns: „Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt!“ (Joh 1,26b). Also: In unserer Mitte ist Christus! Es ist eine Herausforderung, eine Provokation, dieses Wort des Täufers. Warum? Man mag noch so viel wissen von Jemand, aber „kennen“? Jemand wirklich „kennen“ bedeutet doch, nicht nur das Gesicht und den Namen zu kennen, sondern dem anderen mit dem Herzen nahe sein und zu spüren, dass dieser andere für das eigene Leben eine tiefe Bedeutung hat. Es ist eine ernüchternde Aussage zu Beginn des Johannesevangeliums, das ja die Aufgabe hat, von Christus und seinem Leben Zeugnis zu geben, dass der erste Christuszeuge uns sagt, dass wir Christus nicht kennen.
Wie also halten wir Ausschau nach ihm, heute, in diesem Advent?
In welche Wüste unseres Lebens müssen wir gehen, um ihm nahe zu sein?
Ich denke, diese Wüste und der Jordan der Johannes-Taufe ist in uns. Dort, wo wir zu wenig daran denken, dass wir durch unser „Taufe“ mit ihm auf ewig verbunden sind. Dort, wo unser Glaube zu sehr Gewohnheit geworden ist und damit in der Gefahr, zu verdunsten und zu vertrocknen. Es ist heute nicht anders als zu Zeiten des Täufers Johannes und auch des Evangelisten Johannes. Jeden Tag muss ich mir als Christ, als Christin klar machen, was meine Berufung bedeutet. Immer wieder muss der Weg nach Innen führen zu dem Ort, wo die Sehnsucht wohnt nach dem Leben in Fülle und wo ich ohne Gott verloren bin in der Not des Todes. Dort, wo wir neu lernen müssen uns tief zu bücken in Demut vor dem großen Gott der Liebe, wenn schon Johannes der Täufer sagt, dass er es nicht wert sei, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen. Nur dann, wenn wir uns selbst dieser „Wüste“ in uns stellen, all dieser Hitze und Trockenheit und dem Tod, dann werden wir IHN in unserer Mitte finden und „erkennen“ in der Mitte unseres Wesens, ihn, der selbst diesen Weg gegangen ist von seiner Geburt bis zum Kreuz und in die Auferstehung, IHN, den Menschen- und Gottessohn.
Schauen wir also noch einmal auf den, dessen Zeigefinger auf dem Isenheimer Altar von Matthias Grünewald ausgestreckt ist zum Gekreuzigten. Der erste Christuszeuge im Zeugnis des Johannesevangeliums gibt auch uns die Richtung an. Wir sollen IHN nicht im Prunk und Lärm der Welt suchen, sondern am Rand der Welt, an der Grenze des Lebens und in unserer eigenen Wüste des Egoismus, des Versagens und der Todesangst. Dort, wo unsere Möglichkeiten enden, dort ist Gottes Lebenshand am Wirken, dort beginnt das Gnadenzeugnis der unendlichen Liebe Gottes.
Dort verbinden sich Erde und Himmel. Sein Name ist „Jesus“ – „Gott rettet“.
Ihnen weiterhin eine gesegnete Adventszeit und seid behütet! Ihr P. Guido
Die Messtexte zum 3. Adventssonntag