Predigt zum Osterfest 2023 – A – Apg 10, 34a.37-43 und Mt 28, 1-10
Ostern – der Gekreuzigte lebt! Gott hat ihn von den Toten auferweckt!
Ostern, das ist die Herausforderung des Glaubens, das ist der ultimative, der innerste Kern der christlichen Botschaft. Diese Botschaft anzunehmen, sie zu glauben, aus ihr das Leben zu gestalten, das ist der Anstoß christlicher Existenz. Schon der Völkerapostel Paulus sagt in seinem Brief an die Gemeinde von Rom: „…denn, wenn du mit deinem Mund bekennst ‚Jesus ist der Herr‘ und in deinem Herzen glaubst ‚Gott hat ihn von den Toten auferweckt‘, so wirst du gerettet werden“ (Röm 10,9). Und die Lesung des Ostertages aus der Apostelgeschichte bekräftigt die Zeugenschaft dieses Heilsgeschehens in Jesus durch die Apostel und die Christengemeinde. Das Ostergeschehen und der Osterglaube, sie bilden so den Spannungsbogen christlichen Lebens.
Heutzutage scheint das eine besondere Herausforderung für viele Zeitgenossen und selbst für viele Christen. So beschrieb eine Umfrage in unserem Land im Jahr 2019: Der Aussage ‚Jesus ist leibhaftig von den Toten auferstanden‘ stimmt nur jeder fünfte Deutsche zu. Spannend wird es, auf die Antworten der Menschen zu schauen, die sich einer christlichen Kirche oder Konfession zugehörig wissen. Am meisten Zustimmung findet der Glaube an die leibhaftige Auferstehung unter freikirchlichen Christen: 55 Prozent aus dieser Gruppe glauben an die Auferstehung. Deutlich geringer ist der Anteil unter römisch-katholischen (28 Prozent) und evangelischen Befragten (23 Prozent). (Quelle: katholisch.de vom 18.04.2019).
„Der Herr ist wahrhaft auferstanden!“ Glaubst Du das?
Von Edgar Selge, dem Schauspieler und Schwiegersohn des Schriftstellers Martin Walser stammt das Wort: „Glaube ist für mich immer ein Sprung ins Leere, eine Selbstvergewisserung.“ Das sagte er in einem Interview zu einem Film, in dem er die Rolle eines charismatischen Predigers spielt („So auf Erden“ - ARD Oktober 2015).
„Glaube ist für mich immer ein Sprung ins Leere, eine Selbstvergewisserung.“
In einer modern gestalteten Kirche – der Altar fand sich in der Mitte des Raumes, die Plätze waren rund um ihn angeordnet – war an zentraler Stelle in der verlängerten Sichtachse des Altares nach hinten eine große rechteckige und aufrechtstehende dunkle Marmorplatte zu sehen. Vor ihrer polierten Vorderseite war schwebend nur mit einem fast nicht sichtbaren Steg ein Bronzekorpus des Gekreuzigten montiert. „Oh!“, witzelte ein Betrachter, „das sieht ja aus wie ein Turmspringer im Schwimmbad!“ –
„Glaube ist für mich immer ein Sprung ins Leere, eine Selbstvergewisserung.“ Der Schöpfer der beschriebenen Kreuzesdarstellung macht nach meiner Meinung deutlich, was dieses Wort sagen will. Der Glaube an den Gekreuzigten und Auferstandenen scheint tatsächlich ein Sprung ins Leere. So scheint es, nicht nur für uns Glaubende, sondern auch für Jesus selbst. Aber was bedeutet dann die „Selbstvergewisserung“? Man darf beides nicht voneinander trennen. Der Sprung des Glaubens ist die Selbstvergewisserung. Warum? Nun: Er ist kein Sprung ins Leere. Der Glaube ist ein Sprung in die Arme Gottes. Letztlich ist es das Wort des am Kreuz Sterbenden, der die Agonie der Leere und des Nichts und die totale Beziehungslosigkeit des Todes durchlitten hat: „Vater in deine Hände…“ (vgl. Lk 23,46 / Ps 38,12). Und der Vater fängt ihn auf und vollendet, was der Sohn „vollbracht“ hat in der Auferweckung und Auferstehung von den Toten (vgl. Joh 19,30). Die „Selbstvergewisserung“ ist nicht eine Rückbindung an eigene Vorstellungen. Vielmehr ist von Jesus her die „Selbstvergewisserung“ des Glaubens das Vertrauen auf den Vater, der nicht im Tod lässt, weil er die Fülle des Lebens und der Liebe ist, untrennbar verbunden mit dem Sohn im Heiligen Geist der Ewigkeit. Sie ist die Rückbindung an Gott selbst, der in Jesus Mensch wurde und bis zu seinem Tod für die Botschaft der Nähe und Liebe Gottes eintrat.
Unser Glaube an die Auferstehung Jesu baut genau darauf auf. Jene vor uns, bis zu den ersten Zeugen, den Aposteln, den Frauen und Männern der ersten Stunde, bis zu Petrus und Johannes und Maria von Magdala und den Frauen, die in der Frühe des Ostertages zum Grab gingen, sie alle sind, dem Beispiel Jesu des Herrn folgend, im Leben und Sterben in die Arme Gottes gesprungen. In der Hoffnung auf die Wahrheit ihres Zeugnisses bis hin zum Zeugnis unserer eigenen Glaubensvorfahren, unserer Eltern und derer, die uns den Glauben weitergeben haben, sind nun wir Heutigen aufgefordert, Tag für Tag in die Arme Gottes zu springen durch unseren Glauben; will sagen, an uns liegt es, mit Kopf und Herz, mit Hand und Fuß, mit Verstand und Mund in unserem Leben Zeugnis zu geben, von dem Gott, der uns in Liebe trägt und der jeden Menschen – wir alle sind seine Kinder, seine Söhne und Töchter – auffangen und tragen will, im Leben wie auch im Tod.
Stärken wir uns also gerade jetzt an Ostern gegenseitig in dieser Hoffnung und im Glauben an die Auferstehung. Seien wir Zeugen der Liebe Gottes in Jesus Christus. Nehmen wir seinen Geist des Lebens in uns auf. Danken wir Gott dafür, dass er uns immer wieder auffängt.
Der Herr ist wahrhaft auferstanden! Frohe Ostern!
Seien Sie gesegnet und allezeit behütet! Ihr P. Guido