Den Geist erheben
Den Geist erheben
Gedanken zur Fastenzeit von Pfr. Benedikt Wach
Mit dem Aschermittwoch treten wir ein in die Vorbereitungszeit auf die Heilige Woche, in denen wir Leiden, Tod und Auferstehung Jesu feiern. Bei der Bemessung der Vorbereitungszeit haben sich die frühen Christen an den 40 Tagen Jesu in der Wüste orientiert (Mk 12,12-15). Diese Wüstenzeit Jesu steht vor dem Beginn seines öffentlichen Wirkens in Galiläa, es ist also auch für ihn eine Vorbereitungszeit.
Sich für eine Aufgabe oder für ein Fest vorzubereiten, folgt einer inneren Logik: Unvorbereitet in eine Aufgabe zu gehen, kann ein rasches Scheitern oder Überforderung zur Folge haben. Bei einem unvorbereiteten Fest käme der Gastgeber beständig ins Schwitzen, weil immer irgendetwas irgendwo fehlen würde. Die Nervosität, die sich daraus ergibt, würde sich auf die Gäste übertragen und die Feierstimmung beeinträchtigen. Darüber hinaus aber ist natürlich auch die Vorbereitung gewissermaßen Teil des Festes, sie stimmt lange auf das Fest ein, bildet also einen Spannungsbogen bis zum Tag des Festes und lässt jeden Teilnehmer das Fest intensiver erleben, als es ohne Vorbereitung der Fall gewesen wäre.
Daher dürfen wir diese 40 Tage auch in diesem Jahr als eine Einladung an uns verstehen. Zwei Dinge kann man dabei bedenken:
Zunächst eine bewusste Mitfeier des Weges Jesu von Galiläa bis nach Jerusalem. Die Wanderschaften mit den Jüngern, die Herausforderungen, der Hosanna!-Jubel in Jerusalem beim Einzug, das Umschlagen der Stimmung, die Leidensgeschichte, der Tod, die Auferstehung. Es ist ein Lebensweg voller Dramatik – und in vielen Teilen des Weges können wir Elemente unseres eigenen Lebensweges wiederfinden.
Zum anderen die eigene Vorbereitung. Über der Fastenzeit steht der Ruf zur Umkehr. Es ist wahr, dass dieser Ruf in unserer Zeit manchen fremd wirkt. Ostern feiert man vielleicht noch gern, als ein Fest voller Leben, die Zeit davor aber lässt man nicht an sich heran: immer ist von Durchleiden, Sünde und eben Umkehr die Rede. Manch einer fühlt sich davon bedrückt oder er meint, ihm würde ein schlechtes Gewissen eingeredet.
Dabei will die Fastenzeit nichts weniger, als den Menschen niederzudrücken. Sie will ihn erheben. Der Mensch soll (wieder) zu sich selbst finden. Dabei wird selbstverständlich davon ausgegangen, dass der Mensch sich immer wieder selbst verliert. Aber ist das nicht ein realistischer Blick? „Ich muss mal durchatmen“, „Ich brauche eine Pause“, „Ich muss mal wieder zur Ruhe kommen“ – das sind gewöhnliche Sätze, die alle damit zu tun haben, dass der Mensch sich selbst verlieren kann, dass er seinen sicheren Stand nicht mehr findet und eine Zeit für sich braucht, um sie wiederzufinden. Gerade in unserem Alltag heute, der so stark durchgetaktet ist, der von so vielen Verpflichtungen und Notwendigkeiten durchzogen ist, sind wir schnell in Gefahr, die innere Mitte zu verlieren. Die Fastenzeit ist die Gelegenheit, den Blick auf uns selbst zu richten, um die innere Mitte zu finden. Wer etwas sucht, der braucht einen Orientierungspunkt – und hier schließt sich der Kreis zum ersten Punkt: Dieser Orientierungspunkt ist Jesus, dessen Geschichte wir in der Fastenzeit besonders betrachten.
So ist die Fastenzeit viel mehr als einfach nur ein Verzicht auf Fleisch, Alkohol oder das Smartphone. Das sind schöne Vorsätze, die sicher auch nutzbringend sind. Ganz entscheidend aber ist, dass wir den eigenen Geist aufrichten und uns fragen, wo wir die Botschaft Jesu besser in unser Leben und Tun integrieren können. Denn genau so finden wir zur eigenen Mitte zurück – zum unserem Segen und zum Segen aller, mit denen wir auf dem Weg sind.