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Predigt zum 5. Sonntag der Osterzeit – B – Apg 9,26-31; 1 Joh 3,18-24 u. Joh 15, 1-8
Wie die Apostel nach Ostern, von denen die Evangelien erzählen, dass sie immer wieder Hilfe brauchten, um das Geschehen der Auferstehung des Herrn in ihr Leben hineinzuholen und für den Glauben und die Verkündigung fruchtbar zu machen, brauchen auch wir die tiefere Kenntnis und Teilhabe am Leben des irdischen und des auferstandenen Herrn. Deshalb sagt Jesus: „Ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich…“ (Joh 10,14). Wer dem Herrn vertraut und ihn an seinem Leben teilhaben lässt, erfährt die tragende Kraft der Freundschaft mit ihm und hat Teil am „neuen Leben“ der Auferstehung.
Das Bildwort, das vom „Weinstock und den Reben“, das uns nach dem Evangelisten Johannes von Jesus geschenkt wird, lenkt deshalb die Aufmerksamkeit auf die Teilhabe an ihm und seinem Leben. Insgesamt kommt das Bild des Weinstocks zweiundfünfzigmal in den Schriften des Alten und Neuen Testamentes vor. Der Weinstock galt in Israel als der Baum des Messias, in Griechenland als Symbol der Fülle des Lebens. Der Weinberg ist ein Bild für Gottes Volk. Es ist die Frucht des in Gott verwurzelten Weinstockes, die Trauben, welche die Qualität des Bundes zwischen Gott und seinem auserwählten Volk bezeugt. Weil wir Christen als „neues Bundesvolk“ aufgerufen sind, Frucht zu bringen, wird schon im Wort Jesu klar, dass die Fülle, die Erfüllung und Vollendung nicht aus uns, sondern von ihm her kommt; die Verbindung hin zum Weinstock, symbolisiert durch die Reben, ist entscheidend: Es geht um unsere Verbindung zu Jesus! Dann ist es auch notwendig, die Reben so zu behandeln, dass sie Frucht bringen können. Sie müssen, wie Jesus es dem Vater zuordnet, gereinigt und beschnitten werden.
Das Bildwort Jesu vom Weinstock und den Reben aus der Natur seiner Umgebung mag manchen heute doch nicht adäquat für ihr Leben sprechen. Ich erinnere mich an eine moderne Parabel aus einem kleinen Büchlein, das mich schon viele Jahre begleitet. Vielleicht ist sie eine Hilfe:
„Es war einmal ein Staubsauger… Er besaß eine große Anziehungskraft und auch ein überaus anziehendes Wesen. Das machte ihn allseits beliebt. Den Schmutz der anderen ließ er diskret verschwinden, ohne darin herumzuwühlen. Wenn er seinen Dienst getan hatte, herrschte wieder reine Luft. Alles war sauber, und seine Umgebung leuchtete. Jeder und jedes stand wieder in weißer Weste da. Fast möchte man sagen: Er übte eine seelsorgerliche Funktion aus. Doch hätte man ihm das gesagt, er wäre rot geworden. Als er gefragt wurde, wie er solchen Dienst jahraus, jahrein bewältigen könne, ohne dabei zu kollabieren, antwortete er kurz und schlicht: „Immer wieder entleeren, und – am höheren Stromkreis angeschlossen bleiben!“ (D. Theobald „Stets zu Diensten“, Brunnen-Verl. Gießen, 8. Aufl. 1988, S.18f)
Die Frucht, der Dienst, all das, was wir als Lebensaufgabe und Lebenssinn für uns begreifen, das erzählen für mich diese Parabel und auch das Bildwort Jesu, brauchen grundlegende Bedingungen, die aus sich aus folgenden Fragen ergeben: Woher kommt meine „Energie“, meine „Lebenskraft“, um mich dem zu widmen, was mir am Herzen liegt? Und: Wie kann ich mich im Kern meiner Selbst so bereiten, dass ich meinem Herzensanliegen gerecht werde? Besonders aber der eine Aspekt: Wie komme ich an die „Energie“ und „Lebenskraft“? Natürlich darf man ein Bildwort oder eine Parabel nicht überstrapazieren. Beim Bildwort vom „Weinstock und den Reben“ wie auch bei der Parabel vom „Staubsauger“ geht es zunächst und vor allem um das Stichwort „Verbindung“. Wenn die Rebe nicht mit dem Weinstock „verbunden“ ist, kann sie keine Frucht ausbilden. Wenn der Staubsauger nicht an den höheren Stromkreis angeschlossen ist – das gilt übrigens auch für batteriebetriebene Geräte, die ja irgendwie aufgeladen werden müssen –, dient er zu nichts. Für beide kommt zudem noch die Frage der „Reinigung“ ins Spiel. Falsche und nicht der Frucht dienende Triebe müssen weggeschnitten werden, der Staubsauger bedarf der regelmäßigen Entleerung. Unter letztgenanntem Gesichtspunkt betrachtet, gewinnt übrigens das Sakrament der Umkehr, der Buße, die Beichte einen hilfreichen und auch spannenden, vielleicht auch neuen Aspekt für unser Leben mit dem Auftrag des Herrn.
Kehren wir zum Anfang unserer Überlegungen zurück. Wir werden vom Evangelisten näher an das Geheimnis des auferstandenen Herrn herangeführt. Am Geheimnis des gottgeschenkten „neuen Lebens“ haben wir Teil durch unsere Verbindung mit Jesus, die uns in der Taufe geschenkt wurde. Um dieses „neue Leben“ als entscheidende Lebenskraft für unser Leben fruchtbar zu machen, bedarf es der lebendigen und treuen Verbindung mit Jesus. „Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur wenn sie im Weinstock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt“ (Joh 15,4). Vom Herrn aus ist immer die Möglichkeit gegeben, sich mit ihm zu verbinden. Seine Hingabe und Liebe zu uns sind unverbrüchlich. Wie also können wir von uns aus die Verbindung gestalten? Die erste und sicher auch wichtigste Verbindung ist die in der Feier der Eucharistie. Wenn wir uns als Gemeinde versammeln, um miteinander den Tod und die Auferstehung des Herrn in unser Hier und Heute zu holen - seine Liebe zu vergegenwärtigen -, wenn er sich uns schenkt im Brot des Lebens und wir ihn in der Kommunion empfangen, dann ist die Verbindung zu ihm da und wird gefestigt. Verknüpft mit dieser Verbindung ist die Gemeinschaft untereinander. Die Verbindung mit Jesus ist keine Privatsache. Sie hat immer mit den Menschen zu tun, die wie wir aus ihm leben. Das ist der zweite Punkt, den wir beachten müssen und wo wir gefordert sind. Lebensgemeinschaft mit Jesus bedeutet immer auch Lebensgemeinschaft untereinander. Denken wir an das Wort Jesu: „Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen...“ (vgl. Mt 18,20).
Und einen dritten Aspekt nenne ich: Das ist das persönliche Gespräch mit Jesus, das Gebet. Wie sollte auch eine Verbindung, eine Lebensgemeinschaft gelingen, wenn es nicht den Austausch und das Gespräch miteinander gibt? Wo ich dem anderen nichts mehr zu sagen habe, ist die Liebe tot. Jesus spricht zu uns in der Heiligen Schrift in der Bibel, in der Begegnung mit Mitmenschen. Immer wieder, immer wieder... Und er lädt uns ein, mit ihm zusammen zu sein, aus ihm zu leben.
Das Resümee: Das tote und fruchtlose Gewächs wird nicht überleben. Es ist abgeschnitten vom Leben, wird weggeworfen, verbrannt... Der unbrauchbare Staubsauger ist bloß dekorativer Krempel und hat keinen Nutzen für das Leben. Am Ende landet er auf dem Müll...
Lasst uns also, um unseres eigenen Lebens willen, die lebendige Verbindung mit dem Herrn suchen und pflegen, damit wir wirklich teilhaben am „neuen Leben“ der Auferstehung!
Seien Sie gesegnet und behütet! Ihr P. Guido