Predigt zum 2. Sonntag im Jahreskreis – A – Jes 49, 3.5-6 und Joh 1, 29-34
Nun sind wir also wieder in der Zeit im Jahreskreis... Im Matthäusjahr, in dem wir unterwegs sind, wird am Anfang noch einmal das, den Weihnachtsfestkreis abschließende Zeugnis des Täufers Johannes bei der Taufe Jesu im Jordan aufgenommen. Das allerdings mit dem besonderen Blick und der Methode des Evangelisten Johannes. Vielleicht haben diejenigen, die den Leseplan für das Lesejahr A zusammengestellt haben, einen programmatisch geprägten Anfang in der Leseordnung setzen wollen, denn sie heben ab auf einen Begriff, der bei Matthäus keine besondere Rolle spielt, der aber gerade bei Johannes so etwas ist wie der „rote Faden“, der sich durch sein ganzes Evangelium zieht. Es geht um das „Erkennen“ Jesu, um die Wahrnehmung seiner Person und ebenso seiner Bedeutung. „Auch ich kannte ihn nicht“ (vgl. Joh 1, 31.33) sagt der Täufer Johannes. Das überrascht. Das ist allerdings die erste Spur auf dem Weg des „Erkennens“. Am Anfang des persönlichen Glaubensweges steht nach dem Evangelisten Johannes immer der Anstoß durch Gott selbst. Jedes Wort in unserer Schriftstelle ist deshalb vom Evangelisten pointiert gebraucht und führt den interessierten Hörer und Leser Schritt für Schritt zur tieferen Einsicht.
Während der Täufer offenbar einen festen Platz hat, sieht er Jesus auf sich zukommen (vgl. Joh 1, 29). Das bedeutet: Gott macht den ersten Schritt. Er hat diesen Schritt in seiner Menschwerdung in Jesus getan. Das dem Täufer von Gott offenbarte Wissen lässt ihn nun „erkennen“: Jesus der Gottessohn ist da, aber die Augen müssen dafür geöffnet werden, um wahrzunehmen, dass er mitten unter den Menschen „da“ ist und „wer“ er ist: das Lamm Gottes, der Erwählte, der Sohn Gottes und in ihm Gott selbst. Der „Augenöffner" ist Johannes der Täufer.
Es sind drei Botschaften, die in dieser kurzen Szene stecken und über sie hinausweisen:
Zunächst: Der Retter, der Erlöser, das Heil Gottes ist in Jesus mitten unter uns. Damals wie auch heute. Gott wählt dazu das Menschsein als Weg zum Menschen. Nur, wir Menschen „erkennen“ Gottes Plan nicht, wir haben Schwierigkeiten, ihn in seiner Bedeutung für uns wahrzunehmen. Die Bedeutung der Menschwerdung Gottes in Jesus muss erschlossen – erkannt werden.
Damit wir ihn auch konkret sehen und Gottes Wirken wahrnehmen können, brauchen wir also heute wie damals „Augenöffner“, wie es der Täufer gewesen ist, Menschen, die uns helfen, genauer hinzuschauen und „mit dem Herzen zu sehen“. Wir brauchen also Hilfe, das Wirken Gottes richtig wahrzunehmen: Menschen, die uns helfen, das zu sehen und zu hören, was unser Leben durch den Glauben bereichern kann und ihm Orientierung gibt. Oder anders gesagt: Es braucht Menschen, die selbst die Erfahrung der Bedeutung Jesu für ihr Leben gemacht haben. Und da ist es entscheidend, dass Johannes sagt: Ich kannte ihn nicht. Ich brauchte auch den Fingerzeig Gottes – „er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft“ (Joh 1, 33). Das Kriterium zur Wahrnehmung des Handelns Gottes ist also der Heilige Geist. Der Geist nun bedeutet: Wer den Gottesgeist trägt, lebt in gelingender Beziehung, in Frieden, Gerechtigkeit und Liebe. Wo wir also das Wirken des Heiligen Geistes im Menschen und unter Menschen wahrnehmen, ist Gott da. Wo wir ihn in beständiger Wirksamkeit sehen, wo also Menschen danach streben, in Liebe und Frieden in Gerechtigkeit und gelingenden Beziehungen zu leben, da ist Jesus nahe. Wir müssen einander darauf aufmerksam machen und uns gegenseitig ermuntern, ihn und sein Leben als Zeichen der Nähe Gottes zu erkennen.
Im jüdischen Talmud (das sind Erläuterung zum Gesetz Gottes) heißt es an einer Stelle: „Wir sehen die Welt nicht so, wie sie ist, sondern so, wie wir sind." Das heißt: Jeder sieht und erkennt die Welt und die anderen Menschen, nur mit der Brille, die er oder sie trägt. Diese Brille ist in unserer Lebensgeschichte entstanden. Sie lässt sich nicht von jetzt auf gleich einfach austauschen. Wer immer nur die Botschaft erhalten hat, dass die Welt schlecht ist und man auf der Hut sein muss und immer misstrauisch anderen begegnen sollte, der wird nur Schlechtes sehen und übervorsichtig leben. Vermutlich werden dann Beziehungen zu anderen äußerst schwierig. Das entspricht unseren Erfahrungen. Die Worte des Evangeliums wollen nun das Sehen und die Wahrnehmung verändern. Davon legt in unserer Schriftstelle Johannes der Täufer Zeugnis ab, wenn er sinngemäß sagt: Ich habe etwas erlebt und erfahren, und das hat mir geholfen, den Messias, den Retter zu erkennen. Das verkündet er, damit auch andere hineingenommen werden in diese Erkenntnis der Bedeutung Jesu. So entsteht die Bereitschaft, sich auf diesen Jesus einzulassen und zu erfahren: Jesus ist der Auserwählte, der Sohn Gottes. Der Begriff „Lamm Gottes“ (vgl. Joh 1, 29) ist dabei schon so etwas wie ein Programm und eine Deutung, die wir dem Evangelisten Johannes zuschreiben dürfen.
Nochmals: Gott ist in Jesus da – wir brauchen zu dieser Erkenntnis „Augenöffner“ – das Evangelium will so unsere Wahrnehmung verändern und zur Erkenntnis Jesu und Gottes führen.
Was der Evangelist dem Täufer Johannes in den Mund legt, dürfen wir hier im Grunde als seine eigene Erfahrung mit Jesus entdecken. Für ihn, für Johannes, den „Lieblingsjünger Jesu“, hat sich im Mitgehen mit Jesus als Jünger das tiefe Wissen um das Einmalige in der Person des Messias Jesus erschlossen. Sie sind beste Freunde geworden. Er sagt uns als Hilfe für unseren Weg mit Jesus: Auch ich kannte ihn nicht. Aber ich habe ihn kennen- und lieben gelernt, und ihr, wenn ihr euch auf den Weg macht, den mein Evangelium anbietet, dann werdet auch ihr erkennen, wer dieser Jesus ist. Er ist es, der mitten unter euch steht und euch durch diese Welt in das Heil Gottes führen wird. Und, das will ich auch sagen: Es tut unheimlich gut, diesen Jesus kennen- und lieben zu lernen und mit ihm zu gehen.
Seien Sie gesegnet und behütet in der Liebe des Herrn! Ihr P. Guido