Zur Mutlosigkeit besteht kein Grund
Predigt zum 15. Sonntag im Jahreskreis 2021 (B)
Am 7,10.12-15 und Mk 6,7-13
Erinnern wir uns: Propheten weissagen nicht die Zukunft, sondern haben das Charisma, haben die Gabe von Gott, sein Mund zu sein und den besonderen Charakter einer Zeit und einer Situation mit dem Blick Gottes anzusagen und zu deuten.
Amos, der (im 8. vorchristlichen Jahrhundert) im Reichsheiligtum Israels, in Bet-El auftritt und prophetisch redet, wird des Landes verwiesen. Der Priester Amazja hat sich beim König von Israel über ihn beklagt: „Das Land vermag alle seine Worte nicht mehr zu ertragen“ (Am 7,10).So verbünden sich die Mächtigen, um den unbequemen Mahner loszuwerden. Er solle nach Judäa gehen, wo er herkomme, und dort prophetisch reden; hier habe er nichts verloren, „denn das hier ist ein Heiligtum des Königs und ein Reichstempel“ (Am 7,13), bedeutet ihm Amazja, der Ober-Priester von Bet-El. Solche Reaktion von Amts wegen verwundert nicht, wenn wir Amos - in Gestalt einer Gottesrede - so predigen hören: „Ich (Gott) hasse, eure Feste, ich verabscheue sie und kann eure Feiern nicht riechen... Weg mit dem Lärm deiner Lieder! Dein Harfenspiel will ich nicht hören, sondern das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach“ (Amos 5,21.23f).
Amos grenzt sich ab von den Hofpropheten, die dem König sagen, was der hören will; ihrer Zunft gehört er nicht an. Er sei von Haus aus Hirte und Maulbeerfeigenzüchter, erwidert er Amazja. Gott selbst habe ihn von der Herde weggeholt und ihn geheißen: „Geh und rede als Prophet zu meinem Volk Israel“ (Am 7,15). In Gottes Namen fordert er Recht und Gerechtigkeit, ohne die kein Gottesdienst etwas wert ist. – Ob Amos mit seiner Sendung „Erfolg“ gehabt und die Herzen bewegt hat, wissen wir nicht. Ich denke an ein Wort des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber, der einmal sagte: „Erfolg“ ist keiner der Namen Gottes. Amos, der von Gott berufene Prophet, geht seinen Weg konsequent weiter. Als von Gott Ergriffener kann er gar nicht anders.
Jesus ist mehr als ein Prophet, er verkündet nicht nur Gottes Wort, sondern ist selbst „das Wort“(vgl. Joh 1,1).Aber er steht in der prophetischen Tradition seines Volkes. Er hat einen prophetischen Auftrag. Man hält ihn für einen Propheten, und auch im Blick auf sich selbst sagt er, wir erinnern uns: „Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie“ (Mk 6,4).Er geht fort aus seiner Heimatstadt, zog „durch die benachbarten Dörfer und lehrte dort“,heißt es (vgl. Mk 6,6).
Auch die Zwölf, die er aussendet, „jeweils zwei zusammen“,sendet er mit prophetischem Auftrag: ihr ganzes Aussehen und Auftreten sind danach. An nichts Unnötigem sollen sie sich festmachen, nichts mitnehmen außer einem „Wanderstab und an den Füßen nur Sandalen. Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst“, trägt er ihnen auf (vgl. Mk 6,8-10). In seiner Vollmacht treiben sie Dämonen aus, salben Kranke mit Öl und heilen sie, erzählt Markus. So setzen sie prophetische Zeichen, die auf das Reich Gottes hinweisen, besonders darauf, dass es in Jesus schon begonnen hat. Aber auch damit hätten sie zu rechnen, lässt ihr Herr sie wissen: „Wenn man euch in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen zum Zeugnis gegen sie“ (Mk 6,11).Auch das ist prophetisches also zeichenhaftes Handeln.
Ob die Jünger mit ihrer Sendung Erfolg gehabt und die Herzen bewegt haben, wissen wir nicht. Es geht nicht um Erfolg, denn Erfolg ist keiner der Namen Gottes. Wir hören auch nichts vom Echo ihres Wirkens oder gar von den Menschen, die ihre Botschaft erreicht hätte. Der weitere Verlauf des Markus-Evangeliums lässt eher – wie bei Jesus selbst – an Misserfolg denken, jedenfalls nicht an eine reiche Glaubensernte, von der bei Markus nirgendwo die Rede ist. Der Zustrom der Volksmenge (vgl. Mk 6,31-34) kommt aus der menschlich verständlichen Sehnsucht nach Wundern. Das wäre heute sicher nicht anders. – Die Zwölf aber gehen ihren Weg mit Jesus weiter. Als von Gott Ergriffene können sie nur so handeln. Auch das verbindet mit den Propheten.
Markus erzählt sein Evangelium auch im Blick auf die Mission der jungen Kirche. Er bezeugt die Kraft des Evangeliums – trotz oder gerade wegen des Ausbleibens Aufsehen erregender Erfolge, und er ermutigt zum Vertrauen. Das gilt auch heute, da wir einen erheblichen Glaubensschwund beklagen, unsere Kirchen immer leerer werden und viele die Gemeinschaft der Kirche verlassen. Viele unserer Zeitgenossen scheinen zu leben, als ob Gott nicht wäre. Es sieht aus, als seien sie sich selbst genug. Es ist Jesus, der durch den Evangelisten Markus sagt: Zur Mutlosigkeit besteht kein Grund. Es gilt, im Auftrag Jesu einen langen Atem zu haben. Und wir können mit einem Blick vom 21. Jahrhundert her auf die Geschichte der Kirche sagen, dass es immer wieder Situationen und Zeitläufe gegeben hat, wo es so aussah als würde es bald mit dem Glauben und auch mit der Kirche ein Ende haben.
Die Frage, die sich aufdrängt: Schleppen wir in unserer Mission zu viel mit uns mit? Zuviel an Struktur? Zuviel an Institutionen? Zuviel behindernder Lasten? Zuviel Eigeninteressen? Machen wir uns der Sendung Jesu bewusst: Wir haben dem Bösen zu widerstehen (Dämonen austreiben – innerhalb und außerhalb der Kirche), uns der Kranken anzunehmen (sie zu salben und Heil zu schenken) und das Wort der Nähe Gottes zu sagen und zur Umkehr zu ihm zu rufen. Das ist nur möglich, wenn wir uns von Gott und seiner Liebe ganz ergreifen lassen.
Glauben wir an die Kraft der Gottesherrschaft, ohne uns falschen Erwartungen hinzugeben. Denn wir wissen, dass Erfolg keiner der Namen Gottes ist. Gehen auch wir in Treue den Weg weiter, auf den wir gestellt sind, wie die Gemeinschaft der Apostel und halten wir die Sache Gottes fest, die uns ergriffen hat und auf die wir gesetzt haben und der wir trauen bis ans Ende unserer Tage. Das Wort des Heils ist wirksam. Gott überfordert keinen und Gottes Kraft ist ungebrochen.
Seien Sie gesegnet und behütet. Ihr P. Guido