Weißt Du wo der Himmel ist, außen oder innen...?
Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit (Joh 17,1-11a)
Es kann einem schon ein Schauer über den Rücken laufen, wenn man im Nachhinein die Worte eines Menschen liest oder hört und bedenkt, die der vor seinem Tod gesprochen hat. Was wir heute als Evangelium gehört haben, ist der Kern der sogenannten Abschiedsreden Jesu im Evangelium des Johannes (Joh 14-17). Es ist mehr als nur ein literarisches Stilmittel des Evangelisten und seiner Mitverfasser (man spricht vom johannäischen Kreis), dass hier die Form eines Gebetes benutzt wird. Ein feierlicher Höhepunkt in der Art des Hochgebetes der Heiligen Messe schließt die Abschiedsreden Jesu an die Jünger ab. Die wichtigsten Anliegen Jesu werden in meditativer Sprache ins Wort gebracht. Selbst die Gebetshaltung wird deutlich, heißt es doch: „Und er erhob seine Augen zum Himmel und sagte…“ (Joh 17,1a). Die Zwiesprache ist innig. Jesus erscheint hier nicht mehr nur als ein Mensch, der einen Auftrag hat und der den Leidensweg gehen muss. Jesus wird gezeichnet als der, der ganz aus Gott gekommen ist und nun wieder ganz in Gott eingehen wird. Er ist der Gottes-Sohn!
Das Stichwort heißt: „verherrlichen“. Es ist ein Wort, das heute umgangssprachlich kaum noch Verwendung findet. Grundsätzlich bezeichnet es die Art und Weise, in der ein besonderer Rang oder Status für andere anschaulich und augenfällig wird. Es bedeutet also, jemand Bedeutung und Ansehen also Ehre und Anerkennung zu geben. Jesu Auftrag ist es, den Menschen Gott und seine Liebe als das Allerwichtigste und Bedeutsamste für ihr Leben zu vermitteln. Anders gesagt: Jesu Reden, seine Verkündigung, die Zeichen und Wunder, all das soll deutlich machen, dass die Bedeutung Gottes für den Menschen nicht zu überbieten ist. Jetzt, wenige Stunden vor seinem Tod bekräftigt Jesus, dass er alles getan hat, um diesem Ziel zu dienen. „Es war meine Speise, den Willen des Vaters zu erfüllen“ (Joh 4,34) heißt es ja schon viel früher im Johannesevangelium. Darum, so sagt er es für sich selbst, wird der Vater ihn wieder teilhaben lassen – so jetzt wörtlich – „bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war!“ (Joh 17,5b).
Das Besondere dieses priesterlich fürbittenden Gebetes wird deutlich. Die Jünger und damit auch wir heute werden ganz hineingenommen in das intime Gespräch Jesu mit dem Vater. „Du (Vater) hast dem Sohn Macht über alle Menschen gegeben, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben schenkt“ (Joh 17,2). Und er fügt hinzu: „Das aber ist das ewige Leben: dass sie dich, den einzigen wahren Gott erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus“ (Joh 17,3). Hier spricht der Evangelist mit den Worten Jesu aus, was seine Sichtweise des „ewigen Lebens“ bedeutet. In der Verkündigung seiner Frohen Botschaft ist das „ewige Leben“ keine jenseitige Größe, die nach dem Tod beginnt, sondern ein Zustand, der jetzt und hier seinen Anfang nimmt und zwar immer dann, wenn die Jünger, wie Jesus es betend ausspricht, „dich, den einzigen wahren Gott erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus“. Dieses „Erkennen“ ist kein wissensmäßiges und verstandesmäßiges Zur-Kenntnis-nehmen, so dass man mehr wüsste als vorher, wie beispielsweise beim Lösen einer Mathematikaufgabe. Es ist vielmehr eine Beziehung der Herzen. Wer mit Gott so verbunden sein möchte, dass er sagen kann: „Ich möchte mit dir in meinem Herzen so verbunden sein, wie ein Liebender mit der Geliebten, so vertraut wie ein Freund mit einem Freund“, der nimmt darin jetzt schon teil am vollen Leben Gottes.
Wie aber kommt man dahin? Wie geht der Weg dorthin? Das Evangelium gibt hier eine Antwort, die auf tiefer Erfahrung aufbaut: Es ist das Wort selbst! So sagt Jesus: „Die Worte, die du mir gabst, habe ich ihnen gegeben und sie haben sie angenommen“ (Joh 17,8a). Das Wort ist Jesus selbst. Wer also erfahren will, wer und wie Gott ist und wie er zu uns steht, kommt nicht darum, Jesus kennen zu lernen, ja mehr noch, ihm sein Herz zu öffnen, besser ihn in sein Herz einzuladen, sein Wort – ihn selbst – in die Mitte seines Lebens zu stellen. Wer die Frohe Botschaft, wer das Evangelium zur Hand nimmt, um darin zu lesen, steht so nicht einer Denk-Lehre gegenüber, sondern begegnet Jesus Christus selbst, der durch sein ganzes Dasein zu ihm spricht.
Ein Lied, das der Aachener Pfarrer Wilhelm Willms getextet und das von Ludger Edelkötter vertont wurde, greift diese wunderbare johannäische Botschaft auf:
- Weißt du, wo der Himmel ist, außen oder innen, eine Handbreit rechts und links du bist mitten drinnen, du bist mitten drinnen.
- Weißt du wo der Himmel ist, nicht so tief verborgen einen Sprung aus dir heraus aus dem Haus der Sorgen, aus dem Haus der Sorgen.
- Weißt du wo der Himmel ist, nicht so hoch da oben sag doch ja zu dir und mir du bist aufgehoben, du bist aufgehoben.
Quelle: Wilhelm Willms, der geerdete himmel © 1974 Butzon & Bercker GmbH, Kevelaer, 7. Aufl. 1986
Die Worte „Himmel“ und „ewiges Leben“, sie umschreiben den Raum der Gottesbegegnung. Der hat den Anfang dort, wo Menschen aus dem Wort Gottes in Jesus Christus leben. Und er vollendet sich, wenn wir wie Jesus selbst hineingehen in die endgültige Gemeinschaft mit ihm und dem Vater. Wer diese Botschaft auf- und annimmt, stellt seine Existenz auf den Weg und die Spur des göttlichen Lebens. Inmitten aller Sorgen und Ängste sind wir im Gebet des Herrn angenommen. Auch wenn wir im Erkennen Gottes immer nur Anfänger sind und der Weg eine lebenslange Aufgabe bleibt, tröstet uns das Wort Jesu, wenn er sagt: „Sie sind zu dem Glauben gekommen, dass du mich gesandt hast. … In ihnen bin ich verherrlicht“ (Joh 17,8b.10b).
Diese Worte gehen niemals in die Leere.
Ich wünsche Ihnen ein Stück Himmel und die Liebe des Gottesgeistes und bleiben Sie behütet!
Ihr P. Guido