Predigt zum 6. Sonntag im Jahreskreis – A – Sir 15, 15-20 und Mt 5, 20-22a.27-28.33-34a.37
Schauen wir zurück auf die letzten Abschnitte des Evangeliums. Zugewandt spricht der Herr den Jüngerinnen und Jüngern und den ihm Nachfolgenden Mut zu: Selig, die arm sind vor Gott… Selig, die keine Gewalt anwenden…, Selig seid ihr…, dann baut er auf: Ihr seid das Licht der Welt, das Salz der Erde… und er schafft so die Verbindung zu sich selbst, denn Licht und Salz können wir nur sein wenn wir ihn und sein Wort – Licht und Salz in uns haben, wenn wir also tatsächlich das werden, was wir sind: Leib Christi! (Hl. Augustinus).
Und jetzt schauen wir nach vorne: Der Glaube, den Jesus verkündet ist kein „Glaubenssystem“ nach der Maßgabe „du musst nur die Gebote abarbeiten, dann ist das schon in Ordnung“. Jesus geht es um das, was in den Geboten steckt: Um die Beziehung zu Gott. Das Christentum – das weiß auch der Apostel Paulus und wird nicht müde, darüber zu reden, ist keine „Gesetzesreligion“ es ist ein Weg der „Beziehung“, ein Weg der Liebe. Deshalb braucht es die „weit größere“ Gerechtigkeit. Diese „größere Gerechtigkeit“ besteht allerdings darin, dass Jesus den jüdischen Gottesglauben und auch die Gebote nicht abschafft, sondern erfüllt. Die Worte aus Jesus Sirach: „Vor dem Menschen liegen Leben und Tod, was immer ihm gefällt, wird ihm gegeben“ (Sir 15, 17) bringen diese Haltung Jesu auf den Punkt.
Der Anspruch Jesu ist es, den inneren Kern der Gebote als Hilfe zur guten Gestaltung des Lebens für die Glaubenden deutlich sichtbar zu machen. Als guter Lehrer nennt er, was die Überlieferung ist - „…es ist gesagt worden…“ so zitiert er den Text der Gebote, - um gleich danach klar dazu zu setzen: „Ich aber, sage euch…“ (vgl. Mt 5, 27f.31f u. 33f).
Lebensschutz und Versöhnung sind die ersten Anliegen, die mit den Aussagen Jesu verknüpft sind. Dabei wird deutlich: Jesus kennt die Menschen. Er weiß, dass das Töten und die Unversöhntheit schon in den Gedanken und in der Tiefe der eigenen Existenz beginnt. Deshalb muss der Hass aus dem Herzen vertrieben werden, damit der Weg der Versöhnung möglich wird. Es ist die Zerrissenheit des menschlichen Herzens, die eine neue Welt nach dem Maßstab Jesu verhindert. Versöhnung ist der Weg dazu, die Wunden der Angst zu heilen und die tödliche Spirale von Gewalt und Gegengewalt durchbrechen zu können. Versöhnung beginnt damit, dass jeder und jede sich zuerst im Angenommen-Sein von Gott begreift. Wenn das Herz des Menschen angstfrei im Einklang ist mit dem Herzen Gottes, dann ist der Weg zur Versöhnung möglich, denn Gott ist die Liebe. Dann kann der Mensch sich selbst und auch andere annehmen. Ohne Angst um sich selbst, kann er sogar Unrecht und Leid ertragen und hat es nicht nötig, dem, der ihm Unrecht zufügt, mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Wer keine Annahme und keinen Halt in einer tragenden Gottesbeziehung hat, der wird seine Schwachheit mit Gewalt zu schützen suchen. Wer sich nicht oder zu wenig angenommen und geliebt fühlt, der wird in seiner Angst um sich selbst, jegliche Annäherung anderer, ja sogar die anderen überhaupt als Bedrohung seiner Schwäche erfahren und sie abwehren. Abwehr und Abgrenzung aber führen zur Gewalt und immer wieder zu Gegengewalt und zu noch größerer Zerrissenheit. Zorn und Gier sind Ausdruck solcher inneren Zerrissenheit und angstbesetzter Abwehrhaltung.
Die Beispiele, die die Bergpredigt benennt, zielen auf die innere Verfassung und Haltung des Menschen. So beginnt beispielsweise auch im menschlichen Zusammenleben in der Ehe die Zerrissenheit weit vor der Trennung. Jesus weiß um die benannten Ängste der Menschen. Er will den Schutz und die Heilung des innersten Seins des Einzelnen von Angst und das bedeutet, Schutz vor Verstrickung in das Böse, damit nicht Unheil entsteht oder der Mensch selbst Unheil wird. Dort, wo die größte Intimität der Menschen möglich ist, dort braucht es auch den größtmöglichen Schutz. Wer also seiner Begierde oder seinem Egoismus Raum gibt, der zerstört und zerreißt selbst die beste Bindung und Beziehung.
Wenn die Worte, die Jesus nach Matthäus in göttlicher Vollmacht spricht, wirklich gehört werden und im Herzen ankommen, dann haben sie die Kraft zur Verwandlung. Und genau darum geht es Jesus: Die Macht der ertragenden Liebe, für die er steht, wirkt so, dass die Welt in ihrem Inneren verwandelt, gewandelt und geheilt wird. Diesen Weg geht Jesus. Sein Wort ist das Wort der Wandlung. Und wer sich auf dieses Wort einlässt, begreift, dass es vor Gott nur den Weg der Annahme in Liebe, den Weg der Versöhnung gibt.
Wie hieß es im Buch Jesus Sirach: „Vor dem Menschen liegen Leben und Tod, was immer ihm gefällt, wird ihm gegeben“ (Sir 15, 17). Die Worte der Bergpredigt laden uns ein, das zu wählen, was uns jetzt und hier zu einem gelingenden Leben führt, das getragen wird durch Gottes Gnade, so wie es Jesus vorgelebt hat und das nicht im Tod endet, sondern in der Fülle der Liebe Gottes in der ewigen Gemeinschaft des Himmels. Auf diesem Weg verstehen wir auch eher, was Jesus meint, wenn er in den Seligpreisungen wunderbar den Jüngerinnen und Jüngern und allen, die ihm folgen, zuspricht: Selig seid ihr!
Jetzt in der Versöhnung mit Gott zu leben und einmal ganz in dieser Versöhnung der liebenden Gemeinschaft angenommen zu sein für immer, das ist der Weg und das Ziel, das wir mit Matthäus das „Reich der Himmel“ nennen dürfen. Die Worte der Bergpredigt Jesu sind Bausteine für diesen Weg und Wegweiser zum Ziel.
Seien Sie gesegnet und behütet in der Liebe Gottes! Ihr P. Guido
Die Tagestexte zum 6. Sonntag im Jahreskreis