Warum Theologen falsch und Schauspieler richtig reden
Predigt zum 14. Sonntag im Jahreskreis (A) – Mt 11,25 – 30
Der Schauspieler Anthony Quinn (1915 – 2001), der vor Jahren die Rolle des Papstes in der Verfilmung von Morris L. Wests Roman „In den Schuhen des Fischers“ (1968) überzeugend verkörpert hat, soll einmal von einem Bischof gefragt worden sein: „Wie kommt es, dass wir Theologen, ungeachtet der großen und wahren Dinge, die wir öffentlich vortragen, einen so geringen, ihr Schauspieler aber mit erdichteten Sachen einen so großen Eindruck hinterlasst?“ – „Das kommt daher“, soll Quinn geantwortet haben, „dass wir Schauspieler von erdichteten Sachen wie von wahren reden, ihr klugen Theologen aber von den wahren Dingen wie von erdichteten sprecht.“ (Quelle unbekannt)
Ich weiß nicht, ob diese Anekdote wahr ist. Wenn nicht, ist sie aber gut erfunden. Sie kam mir in den Sinn, als ich mich mit dem heutigen Evangelium, besonders mit dem Vers befasst habe, in dem Jesus sagt: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast“ (Mt 11,25).
Das sieht so aus, als würden die gelehrten Theologen mit hochfliegenden Worten den einfachen Gläubigen gegenübergestellt. Ich denke auch daran, dass Papst Franziskus die Prediger immer wieder ermahnt, doch bitte eine Sprache zu sprechen, die keinen Sprachballast oder Sprechblasen mit hochgestochenen und schwer verständlichen Aussagen produziert.
Es geht Jesus aber gar nicht darum, Gelehrte gegen Ungelehrte auszuspielen oder Theologie gegen einfach gelebte Frömmigkeit. Jesus hat sich mit Schriftgelehrten und Theologen sehr wohl auf theologische Diskussionen eingelassen (vgl. z.B. Mt 12,8, 15,1). Auch Jesus hat getan, was in der Rede von Gott – das ist ja die Theologie – notwendig ist: Er hat hinterfragt, was Gesetz und Propheten in der Bibel wirklich sagen. Damit hat er bestimmt auch manche Gläubige verunsichert.
Wenn Jesus von den ‚Unmündigen‘ spricht, denen es gegeben ist, seine Botschaft zu verstehen und sie anzunehmen, dann will er nicht irgendwen ‚abqualifizieren‘. Die ‚Unmündigen‘ können sich auch unter den aufgeklärten und theologisch gebildeten Gläubigen befinden, wie es ebenso unter den unaufgeklärten Christen, die unerbittlich am bloß Gewohnten festhalten, auch ‚Kluge und Weise‘ gibt, die in den Augen Jesu seine Botschaft nicht verstehen. Wer ist es also, den Jesus als nur vordergründig ‚weise und klug‘ bezeichnet und wer ist es, den er in seinem Sinn als ‚unmündig‘ ansieht?
Der Blick auf die Verkündigung Jesu sagt uns, dass die ‚Klugen und Weisen‘ jene sind, die in Fragen der Religion und des Glaubens und manchmal auch der daraus entstehenden Moral auf alles eine Antwort parat haben. Zudem sind sie felsenfest davon überzeugt, dass diese Antwort auch richtig und über jeden Zweifel erhaben ist. Das sind Leute, die mit Gott wie mit einer Sache umgehen, die sich sowieso nur „wissenschaftlich“ erforschen und allein vom Verstand her begreifen und umgreifen und so nutzbar machen lässt. Zu den ‚Weisen und Klugen‘ gehören also jene, die sich darauf versteifen, die heutigen Wissenschaften könnten allein ihr Leben erklären und das würde genügen. Nichts gegen die Wissenschaften! Wir haben es gerade in den letzten Monaten der Sars-CoV2-Pandemie erfahren. Die Wissenschaften sind Werkzeuge und Hilfsmittel, unsere menschliche Situation zu erfassen. Dem Menschen eine letzte und umfassende Perspektive geben, das allerdings können sie nicht.
Zu den ‚Unmündigen‘, die Jesus anspricht, gehören jene, die – wie beispielsweise Kinder es können – der Botschaft Jesu von Gott her so vertrauen, dass das Leben eine Zukunft hat, dass nicht alles hoffnungslos ist, dass letztlich in Gott alles gut wird. Die ‚Unmündigen‘ sind jene, die auf das Wort Jesu hin nichts für unmöglich halten, die sich stets mit ihm neu aufmachen, an der von Gott gewollten Vollendung der Welt mitzutun, die, wie Gott selbst, nichts und niemanden verloren geben. Die ‚Unmündigen‘ sind jene, die Tag für Tag aus dem Glauben an den auferstandenen Herrn ihr Leben neu beginnen und die sich, weil sie sich im Innersten von Gott getragen wissen, auch immer wieder in Frage stellen lassen.
Ihr Gebet, ihr Gespräch mit Gott, könnte so aussehen:
Du, Gott, meinst es gut mit deiner Welt inmitten von Chaos und Tod. Darauf vertraue ich!
Ich ahne es, denn du bist schon immer und seit urdenklichen Zeiten mit jenen durch Feuer und Wasser, durch Höhen und Tiefen, gegangen, die dich suchen und lieben. Du bist mein Hirte, auch wenn wir Menschen Wegstrecken im dunklen Tal kennen und durch finstere Schluchten gehen (vgl. Ps 23). Wie das ersehnte Morgenrot am Himmel nach dunkler Nacht überkommt mich das Staunen und die Dankbarkeit, wenn ich an deine Güte denke. Ich weiß, - und das schmerzt manchmal - auch das Schwere hat dann einen Sinn – in dir und von dir her. Ja, ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde. Dein Jubelruf, Jesus, beginnt in mir zu leben, zaghaft und zögernd oft, aber als tiefer Wunsch in der Sehnsucht meines Herzens. Du, unendlicher und in Jesus naher Gott, bist mir Weg und Ziel. Schenke das Feuer deines Geistes, damit in dir heute schon das Fest aller Völker beginnen kann, das du versprochen hast. Lass uns alle so in dir Ruhe finden für unsere Herzen.
Amen
Also reden wir doch von den wahren Dingen, weil sie wahr sind.
Seien sie in Gott geborgen und behütet! Ihr P. Guido