Mehr als eine Vorspeise
Predigt 2. Sonntag im Jahreskreis – C – Jes 62,1-5; 1 Kor 12,4-11 u. Joh 2,1-11
Der Weg in den Jahreskreis der Sonntag hat begonnen. Die Taufe Jesu und unsere Taufe, sie verbinden uns und stärken uns auf diesem Weg durch die Zeit, der auch ein Weg des Heiles sein soll.
Obwohl wir uns im Lukasjahr der Verkündigung befinden – wir hören immer wieder Abschnitte aus seinem Evangelium – dürfen wir heute dem Evangelisten Johannes begegnen. Am Weihnachtstag hat uns sein großartiger Hymnus vom Wort, das Fleisch geworden ist, hineingeführt in das Geheimnis der Menschwerdung.
Wenn wir bei einer Feier zum Essen eingeladen sind, beginnt das Festmahl meist mit einer Vorspeise. Die Geschmacksnerven werden angeregt. Wir dürfen gespannt sein, auf das, was noch kommt. Das Evangelium heute ist mehr als eine Vorspeise. Es deutet auf Größeres hin, denn es heißt: „(Er) offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn“ (Joh 2,11).
Zudem ist es auch noch eine Hochzeit, ein Fest der Liebe und der Zukunft, von dem Johannes erzählt.
Nun, ich möchte zunächst eine kleine chinesische Hochzeitsparabel erzählen.
Die Brautleute hatten nicht viel Geld, aber dennoch waren sie der Meinung, dass viele Menschen mitfeiern sollten. Geteilte Freude ist doppelte Freude, dachten sie. Es sollte ein großes Fest werden, beschlossen sie, mit vielen Gästen. Denn warum sollte unsere Freude nicht ansteckend sein? – fragten sie sich. Es herrscht unter den Menschen ohnehin mehr Leid als Freude. Also baten sie die Eingeladenen, je eine Flasche Wein mitzubringen. Am Eingang würde ein großes Fass stehen, in das sie ihren Wein gießen könnten; und so sollte jeder die Gabe des anderen trinken und jeder mit jedem froh und ausgelassen sein.
Als nun das Fest eröffnet wurde, liefen die Kellner zu dem großen Fass und schöpften daraus. Doch wie groß war das Erschrecken aller, als sie merkten, dass es Wasser war. Versteinert saßen oder standen sie da, als ihnen allen bewusst wurde, dass eben jeder gedacht hatte: Die eine Flasche Wasser, die ich hineingieße, wird niemand merken oder schmecken.
Nun aber wussten sie, dass jeder so gedacht hatte. Jeder von ihnen hatte gedacht: Heute will ich mal auf Kosten anderer feiern. Unruhe, Unsicherheit und Scham erfasste alle, nicht nur, weil es lediglich Wasser zu trinken gab. Und als um Mitternacht das Flötenspiel verstummte, gingen alle schweigend nach Hause, und jeder wusste: Das Fest hatte nicht stattgefunden.
Was diese Parabel erzählt, ist das Gegenteil dessen, was eigentlich eine Hochzeitsfeier ausmacht. Eine Hochzeit... ein Fest, das die Menschen freudig stimmt; hier ereignet sich Begegnung, Gemeinschaft wird spürbar und Zukunft: Zwei Menschen und auch ihre Familien und Freunde schauen voll Zuversicht in die Zukunft. Es ist mehr als faszinierend und entscheidend, dass Johannes bald nach Beginn seines Evangeliums diese Hochzeit uns vor Augen stellt und das Besondere der Hochzeit, bei der Jesus zu Gast ist: Wer Wein – das Symbol des Festes -, er ist menschlich begrenzt, ist auf wunderbare Weise in unglaublicher Fülle da!
Der Evangelist Johannes nennt die Wunder Jesu Zeichen. Es sind Zeichen dafür, was Gott mit uns vorhat. Wenn Gott sich im Rahmen einer Hochzeit durch Jesus den Menschen offenbart, dann ist das ein eindeutiger Hinweis dafür, dass er uns sagen möchte, was in einer Hochzeit anfanghaft und entscheidend da ist: Begegnung, Gemeinschaft, Zuversicht, Freude und Feier. Gott sorgt dafür, dass der Wein nicht ausgeht. Aber ausschenken müssen wir ihn.
Gegen den Trend unserer Zeit, dass viele Glauben und Religion als Privatsache ansehen, wird hier klar: Christlicher Glaube ist Begegnung und Gemeinschaft mit Blick auf die Zukunft. Gott schenkt uns dazu, was notwendig ist, aber für die Gemeinschaft, für die Begegnung, müssen wir mitsorgen.
Also: Das Fest des Glaubens können wir nur miteinander feiern und erleben. Aber selbst in der schönsten und besten Situation des Lebens kommt die Not und das Ärgerliche, sogar das Schreckliche vor. Das Symbol dafür ist der ausgehende Wein. Deshalb ist da noch etwas, das entscheidend ist und auf das uns der Evangelist Johannes in unnachahmlicher Art aufmerksam macht: Maria, die Mutter Jesu, nimmt in ihrer mütterlichen Art die Not der Brautleute wahr. „Sie haben keinen Wein mehr“ (Joh 2,3). Als der Wein ausgeht, weist sie Jesus darauf hin, dass sein Handeln notwendig ist, und sie veranlasst die Diener, das ihre zu tun.
Der Weg zur Mitte, zur Erkenntnis der Herrlichkeit, der Verherrlichung, er führt über das – ich möchte es so nennen – „Netzwerk der Liebe“ das uns die Gottesmutter aufzeigt. Die Not wahrnehmen, Wege zur Hilfe suchen, das sind nur zwei Aspekte dieses Weges. „Was er euch sagt, das tut!“ Der Hinweis der Gottesmutter auf Jesu Worte gilt uns auch heute. Der Blick auf die Gottesmutter und ihr Glaubenszeugnis auf dem Weg der Nachfolge, die Bitte um ihre Fürsprache, ihre Hinweise, ihre Hilfe ist Programm auf dem Weg des Heiles.
Auch wenn in unseren Tagen viele unserer Mitchristen den Weg der Freude im Glauben aus den verschiedensten Gründen vernachlässigen und nicht mehr gehen, dann sind wir, die wir auf diesem Weg gehen, Teil des „Netzwerkes der Liebe“. Wir haben nicht zu urteilen, aber es ist unsere Aufgabe, im Gebet und im Beispiel Jesus um seine Hilfe zu bitten, dass sie, für die wir beten, ihr Heil und damit den Weg zu Gott finden. Vertrauen wir auf seine Liebe und Hilfe.
Es ist wahr: Das, was uns da serviert wird, ist mehr als eine Vorspeise. Oder?
Seien Sie gesegnet und behütet!
Ihr P. Guido