Leere schenkt den Raum, in dem sich etwas ereignen kann.
Osterpredigt 2021
- Viele Speichen treffen die Nabe aber die Leere dazwischen macht das Rad.
- Lehm formt der Töpfer zu Gefäßen aber die Leere darin lässt ihn seinen Zweck erfüllen.
- Fenster und Türen bricht man in die Mauern, die Leere inmitten macht das Haus.
- Das sichtbare bildet die Form, doch das wesentliche bleibt unsichtbar.
Interessante Worte von Lao Tse. Worte über die Leere. Normalerweise sind die Dinge entscheidend, die man sieht. Die Ereignisse, die stattfinden. Leere mag man nicht. Wer schöpft nicht gerne aus dem Vollen. Und doch: Sie geben dem was ist Bedeutung. Leere schenkt den Raum, in dem sich etwas ereignen kann. Bewahrt werden kann. Füllt und erfüllt. Raum der kommen lässt und gehen lässt. Freiraum, den Leben braucht. In der Natur gibt es keinen Millimeter Land, in dem nicht sofort etwas beginnt zu wachsen, wenn es Raum hat. Wildwuchs bisweilen, aber den kann ich kontrollieren. Soviel kommt in meinen Gedanken in Bewegung, wenn ich Raum dazu lasse. Wildwuchs bisweilen, aber ich kann das kontrollieren.
Und gerade auch Ostern lebt davon. Die zentrale Botschaft dreht sich um das leere Grab. Wieder hören wir die Botschaft der Frauen, die sich von Karfreitag kommend, auf den Weg dahin machen. Unterwegs mit Ölgefäßen in der Hand, um dem Verstorbenen noch einmal einen Liebesdienst zu erweisen. Ohne zu wissen, wie man an ihn herankommt. Volle Krüge wahrscheinlich. Die Leere übertünchen. Um dann mit Leere, mit dem leeren Grab konfrontiert zu werden. Und das Grab wird der Ort, der Raum, in dem sich neues ereignet. Das ist das österliche Paradox: da wo nichts ist, ist etwas. Da wo Leere ist, entsteht Freiraum auf Neues.
Die Heilige Schrift hat da keine andere Möglichkeit als diese Erfahrung in Bildern zu transportieren. Ostern nötigt dir auf dich deiner Leere zu stellen. Ostern ist, wenn du dich neu angesprochen fühlst, den Tod anders zu sehen. Ein junger Mann in weißem Gewand. Ein junger Gedanke, eingehüllt in reines neues Denken. Wenn eine zentnerschwere Last, einem schweren Stein gleich von deiner Seele genommen wird. Wenn in die Dunkelheit das Licht eines neuen Anfangs fällt. Wenn der Stein ins Rollen kommt und Du in Galiläa davon erzählst, was dir offenbart wurde.
Wenn das leere Grab die zentrale Aussage ist, dann ist Ostern das Fest, das neuen Raum entstehen lässt, in dem sich Jesus, Glaube, Auferstehung ereignen kann. Dann wird es nie mehr eine Zeit nach Jesus geben. Dann wird es immer nur eine Zeit mit Jesus geben. Anders als gewohnt. Dann ist der Tod nicht nur der, der raubt und nach dem Leben trachtet, sondern der, der es wandelt und neu schenkt.
Und wenn wir diese Aussage in unsere Zeit hinein transportieren? Eine Zeit die geprägt ist durch die Corona Krise. Man braucht da keine großen Worte mehr zu machen. Jeder weiß, was das bedeutet. Jeder hat die Leere erfahren in denen eine diese Situation hineinbringen kann. Es wird nie eine Zeit nach Corona geben. Es wird immer eine Zeit mit Corona bleiben. Und mit den Erkenntnissen, die wir daraus gezogen haben. Wir müssen das, was uns als Bedrohung begegnet ins Lebenskonzept integrieren.
Und wenn wir es in die Situation der Kirche hinein transportieren? Auch hier wird es darum gehen, dass das, was manche als Bedrohung sehen, die vorhandenen Strukturen zu hinterfragen. Wenn das, was wir den synodalen Weg nennen, Raum bekommt. Wenn wir neu angesprochen werden in alle den Fragen, die uns bedrücken: Wenn Laien, wenn Frauen keine Bedrohung sind, sondern als Bereicherung gesehen werden. Wenn andere Lebensstile respektiert werden. Gesetze kann man ändern. Menschen und ihre Neigungen nicht. Wenn Strukturen fallen, die Missstände und Missbräuche fördern.
- Wenn da auf einmal ein Raum entstünde, der nicht vollgestellt ist mit Ansichten, die ja schon alles wissen was für alle gut ist. Die nicht im Besitz der einzigen Wahrheit daher kommen.
- Wenn da ein Raum entstünde in dem neues sich ereignen kann. Neue Menschen neue Gedanken neues Leben, neues Miteinander.
- Die Leere aber ist das wesentliche, das dem eigentlichen seine Bedeutung gibt. Das gilt für Ostern und alles neue Leben, das es braucht.
Winfried Roth
Pfarrer