Im Netz: 153 Fische...
Impuls zum 3. Sonntag der Osterzeit
(Joh 21,1-14)
Es war eine einschneidende Erfahrung: Vor etlichen Jahren war ich schwer erkrankt. Ein komplizierter medizinischer Eingriff war notwendig geworden. Letztlich ging es dank guter Ärzte und ebensolcher Betreuung und sicher der Gnade Gottes gut aus. Dann stand die Frage an, wie sich der Weg zurück in die Normalität gestalten lässt. Ist eine Rehabilitationsmaßnahme der richtige Weg? Und vor allem kam mir die Frage ins Bewusstsein: Wie kann ich mit den Erlebnissen der Krankheit und allen damit verbundenen Einschränkungen und Entwicklungen umgehen? Vor allem aber war entscheidend: Da ist eine positive Perspektive! Wie kann ich sie für mein Leben fruchtbar machen? Gerade in diesen Tagen der Coronakrise und den jetzt beginnenden Lockerungen der staatlichen Vorschriften – noch ist das Virus ja da und es wird noch einige Zeit dauern, bis wirksame medizinische Mittel zur Bekämpfung vorhanden sein werden – stehen für uns alle die Fragen im Raum, wie Wege in eine Art Normalität des Lebens gelingen können. Was haben wir aus all dem Schrecklichen gelernt und wie geht das Leben weiter? Wie gestalten wir den Weg in die Zukunft?
Als ich mir den Text des Evangeliums für diesen Sonntag vor Augen hielt, kam mir in den Sinn, dass die Situation der Jünger mit meiner Erfahrung und ebenso mit unserer heutigen Situation gewisse Ähnlichkeiten hat.
Für die Jünger ist wieder Alltag geworden. Die Tragödie des Karfreitags ist vorbei. Großes ist geschehen. Der Herr lebt. Aber irgendwie muss all das, was da geschehen ist, auch in den Alltag hinübergelangen. Wie kann das gelingen? Man kann nicht immer im Hochgefühl des Großen aber Unfassbaren leben. Das ist die Frage, die auch uns genauso angeht: Ja, wir wissen österlich glaubend, dass der Herr lebt. Wie geht das zusammen mit der alltäglichen Erfahrungen der Normalität im Wechselspiel von Erfolg und Frust? Kann nach Karfreitag und Ostern überhaupt noch so etwas wie die gewohnte Normalität sein?
Der Evangelist Johannes erzählt davon, welchen Weg die Jünger in dieser Situation einschlagen. Sie gehen ihrem Handwerk nach. Sie gehen fischen. Sie strengen sich an und arbeiten die ganze Nacht durch und fangen nichts. Ein doppelter Frust: Jesus ist nicht mehr da und jetzt auch noch diese vergebliche Anstrengung. Wenn es nach ihrem Verstand, ihrer Berufserfahrung ginge, na ja, dann wäre jetzt angesagt, heimzugehen und sich resigniert hinzulegen. Wie geht es weiter?
Es gibt eine Ebene in dieser Erzählung, die man mitbedenken muss. Als dieser Text am Ende des Johannesevangeliums aufgeschrieben wurde, waren schon Jahrzehnte seit Tod und Auferstehung Jesu vergangen. Die junge Christengemeinde erlebte nach dem Schwung der ersten Zeit so etwas wie Alltag und Gewöhnung. Auch in der Gemeinde des Johannes wuchs die Frage nach dem Weg in die Zukunft…
Doch kommen wir zurück zum Text des Evangeliums. Es ist Morgen, als Jesus am Ufer steht (vgl. Joh 21,4). Wie heißt es doch: Der Morgen bringt es ans Licht, an den Tag... Jesus – sie wissen nicht, dass er es ist, - spricht sie an. „Meine Kinder“, sagt er – nicht „meine Freunde“, oder „meine Jünger“ - Jesus geht ein Stück in die Tiefe. Nicht um handwerkliches Fachwissen oder um einen Plausch unter Freunden geht es. Was das ganze Geschehen betrifft, sind die Jünger, sind wir „Kinder“, die eines für den Weg in die Zukunft lernen müssen: Vertrauen in die Nähe des Auferstandenen. Und wo wächst Vertrauen besser als in der engen Gemeinschaft des familiären Essens, der intimen Gemeinschaft der Menschen? Auf dieser Ebene beginnt Jesus mit ihnen das Leben neu zu teilen. Darum die Frage: Habt ihr nicht etwas zum Essen? Deshalb ist am Ufer ein Kohlenfeuer mit Brot und Fisch. Das gemeinsame Mahl ist bereitet. Die Einladung ist ausgesprochen. „Meine Kinder, habt ihr nicht etwas zum Essen?“
Zuvor aber schickt er sie nochmals hinaus – am helllichten Tag – wie verrückt ist das denn für die Fischfachleute! Da werden sie doch nichts fangen! Aber die Jünger haben die Einladung des Vertrauens gehört. Auch wenn sie ihn nicht erkennen. Auf der rechten – der richtigen Seite, auf sein Wort hin... und der Erfolg gibt dem Herrn und ihnen recht: Mit Jesus geht es nicht schief. Nur mit ihm gelingt der Weg in die Zukunft. Das ist der entscheidende Hinweis für die Jünger, für die Kirche, für die Gemeinde. Jesus lässt sie nicht im Stich. Auf ihn zu hören, von ihm zu empfangen, unerwartet und großzügig, das ist die Perspektive. Im Netz finden sich am Ende 153 große Fische, Symbol der Fülle und der Vielfalt, denn so viele Völker kannte man zu jener Zeit. Wer sich also auf Jesus einlässt, der wird überraschende Erfahrungen machen: Erfolg haben, wo keiner geplant war und eventuell Misserfolg, wo alles durchorganisiert und institutionalisiert war und ist.
Ja, es tut gut, auf die Stimme des Herrn zu hören – also wirklich im Gespräch, im Gebet mit ihm zu sein, persönlich und auch gemeinschaftlich – auch wenn wir Probleme haben, ihn auf Abstand (er steht am Ufer und so geht es uns in dieser Krise ja auch – auf Abstand) zu orten und zu erkennen. Manchmal scheint verstörend und paradox, was er uns sagt. Aber denken wir an das Wort Mariens bei der Hochzeit zu Kana: Was er euch sagt, das tut! (Vgl. Joh 2,5) Denken wir daran: Meist beinhalten seine Worte eine Sendung: Geht, ich bin mit dir, mit euch! - Meist öffnet er unsere kleine Welt mit der selbstgestrickten Normalität hin auf die anderen, die Mitmenschen, die Notleidenden, die Kranken und Bedürftigen... Das ist Gottes Lebensansatz – Das Leben immer zu stärken und zu schützen! Auf dein Wort hin... Sein Wort gilt der Kirche, allen Christen, aber auch allen, die einen Weg in die Welt der Zukunft mit mehr Menschlichkeit, mit mehr Gerechtigkeit und Frieden suchen. Es ist Gottes Weg in die Zukunft!
Der Fischfang der Jünger auf sein Wort hin ist Beleg dafür. Eines fehlt noch: Wir müssen uns auch gegenseitig auf ihn aufmerksam machen: Es ist der Herr! - so sagt es das liebende Herz des Johannes. Es braucht Menschen, die die Sensibilität des liebenden Herzens dem Herrn gegenüber haben, nicht für sich allein, sondern ebenso füreinander. Johannes hilft uns, das unfassbare österliche Geschehen in den Alltag des Lebens herüber zu holen. Der Herr hilft uns, im Dasein füreinander den Weg in das Leben von Gott her zu finden. Er stärkt uns auf dem Weg zum Leben in den neuen Tag. Die Welt, die Gemeinschaft der Menschen, das Leben nach der Krise kann, nein, es muss anders werden… Das Mahl ist bereitet… „Meine Kinder“, sagt der Herr.
Ich wünsche Ihnen einen guten Weg ins Morgen! Seien Sie behütet!
Ihr P. Guido