5. Sonntag im Jahreskreis (B) – Ijob 7,1-4.6-7 und Mk 1,29-39
Ein kleiner Ort, ein Dorf, das war Kafarnaum. Daher auch der Name, den man bei Ausgrabungen im vergangenen Jahrhundert als Inschrift an der Synagoge, dem jüdischen Gebetshaus, fand: Kfar Nahum – Dorf des Nahum. Am nordwestlichen Ufer des Sees Genezareth gelegen, knapp fünf Kilometer entfernt von der Einmündung des Jordan, der von seinen Quellflüssen aus dem Hermongebirge her bei Bethsaida in den See mündet. Kafarnaum, das ist zur Zeit Jesu eine lebendige kleine Siedlung. Heute findet man dort nur Ruinen. Das sogenannte „Haus des Petrus“ ist überbaut und zu einer Kirche gestaltet.
Warum ich das erzähle? Nun, für den Evangelisten Markus ist Kafarnaum so etwas wie ein wichtiger Bezugspunkt für sein Evangelium. Im ersten Kapitel schildert er, wie Jesus einen Tag verbringt. Schauen wir mit ihm hin: Aus der Verborgenheit der Wüste kommend – vorher hat sich Jesus vom Täufer Johannes am Jordan taufen lassen – geht er nach Galiläa und kommt zum See Genezareth. Dort beruft er Andreas, Simon Petrus und die Brüder Jakobus und Johannes. In der Synagoge von Kafarnaum predigt er und heilt den von einem „unreinen Geist“ besessenen Mann. Und jetzt setzt unser heutiges Evangelium ein: Sie gehen zum Haus des Petrus. Jesus heilt die Schwiegermutter des Petrus. Die Jünger und Jesus sind in diesem Haus zusammen; die Geheilte sorgt für sie. Er hat wohl mit ihnen gesprochen, ihnen von dem erzählt, was in ihm ist und sie haben Gemeinschaft miteinander erfahren. Am Abend strömen alle Kranken an diesem Haus zusammen und Jesus wendet sich ihnen heilend zu. Er vertreibt das Dämonische, das Zerstörerische und richtet die Menschen auf. Und dann in der Frühe des nächsten Morgens geht er in die Einsamkeit, um im Gebet mit dem Vater vereint zu sein. Aus dieser Situation heraus weitet er dann sein Wirkungsfeld: „Alle suchen dich.“ Das hat Simon zu ihm gesagt. Und Jesus wendet sich den benachbarten Dörfern und ganz Galiläa zu.
Die Botschaft Jesu kennen wir. Er spricht von der Nähe des Gottesreiches. Aber nicht die Worte sind hier im Vordergrund. Entscheidend ist, was er tut, wie er handelt. Er heilt, indem er auf die Menschen zugeht, sie berührt und aufrichtet. Die Heilung geschieht in der Begegnung mit Jesus. Selbst das Dämonische hat gegen seine Macht keine Chance. Die Geister schweigen, wenn er es gebietet. Und dann: Seine Entscheidung weiterzuwandern nach Galiläa hinein, sie kommt aus der unmittelbaren Verbindung mit dem Vater. Er trifft sie nicht einfach so. Sie kommt aus dem Gebet. Nicht der Erfolg ist sein Beweggrund. Sein Auftrag von Gott, seine Beziehung zum Vater treibt ihn voran. Und das alles ist an diesem Ort, an Kafarnaum festgemacht.
Kafarnaum ist so etwas wie ein „Hotspot“ für das anbrechende Reich Gottes. Die Jünger und die Menschen um Jesus herum spüren und erfahren in Jesu Handeln unmittelbar, was dieses Gottesreich bedeutet. Die Menschen werden von Jesus her hineingenommen in den Raum der heilenden und befreienden Liebe Gottes. Kafarnum – Dorf des Nahum. Der Name Nahum bedeutet im hebräischen: „Der Tröster“ oder „der Herr tröstet“. Kfar Nahum – das Dorf des Trösters. Kfar Nahum - der Ort, der „Hotspot“, an dem der Trost Gottes für die Menschen im Heilshandeln Jesu offenkundig und sichtbar wird.
Übrigens: Wenn wir heute in diesen Corona-Pandemietagen den Begriff „Hotspot“ hören, dann denken wir an ganz andere Dinge. Dann denken wir an Superspreader, an Ansteckungen und aus dem Ruder laufende Infektionszahlen, an überlastete Intensivstationen und Kliniken. Das Virus hat die ganze Welt im Griff. Da gilt es doch, „Hotspots“ zu vermeiden, die Ausbreitung des Virus und der Krankheit zu unterbinden. Und wir stellen mit Schrecken fest, wie zerbrechlich unsere Gesundheit, ja die ganze Welt ist. Das war sie immer. Damals bis zu uns heute.
In diese Welt hinein – damals wie heute – verkünden wir, wie Jesus, die Botschaft vom Reich Gottes. Machen wir uns nichts vor: Diese Botschaft ist kein Desinfektionsmittel und auch kein Impfstoff! Die entscheidende Frage ist: Wo wird – ich möchte es durch den Namen des „Hotspots“ Kafarnaum beschreiben – das „Dorf des Trösters“ und heilshandelnden Jesus also das „Gottesreich“ sichtbar? Der Evangelist Markus will es seiner Gemeinde und uns zeigen.
Dort, wo Menschen in ihrer Not, in Krankheit angerührt und aufgerichtet werden, wie Jesus die Schwiegermutter des Petrus aufrichtet und heilt, dort wo Menschen aus der Verzweiflung und aus der zerstörerischen Macht des Ungeistes in sich befreit werden, wo sie mit ihren Belastungen, Verletzungen und Entfremdungen zu Gott kommen können und damit wieder zu sich selbst finden, dort, wo wichtige Entscheidungen in der Verbindung zu Gottes gutem Willen wirklich zum Heil und Wohl der Menschen getroffen werden, überall dort leuchtet Gottes Reich der Liebe, des Friedens und der Gerechtigkeit auf – der „Hotspot“ Gottes.
Und wenn wir fragen, wo dieser „Hotspot“ konkret wird. Wo wohl? Es ist mitten in unserem Alltag – auch in der Pandemie. Sei es in den Lebensgemeinschaften der Familien, in Freundeskreisen, in Krankenhäusern oder Seniorenheimen, in der Nachbarschaft, in zufälligen Begegnungen des Alltags, in der Kirchengemeinde, hinein in die Ängste der Menschen vor Ansteckung und den Sorgen um Beruf und Zukunft, hinein in die Einsamkeit derer, die sich alleingelassen und ungeliebt fühlen, überall dort, wo wir den Trost des liebenden Herrn durch unser Reden, Tun und Handeln Wirklichkeit werden lassen… Der Trost des Gottesreiches bricht an in unserer Verbindung zu Gott in Gebet, Meditation und im Lesen der Bibel, in unserer Zuwendung zu unseren Mitmenschen, oder auch, wenn Andere sich uns Zuwenden. Auch wenn wir in dieser Zeit der Pandemie uns wegen der Masken uns oft genug nicht richtig wahrnehmen können, auch wenn durch Abstand- und Hygieneregeln eine direkte Berührung nicht möglich ist, so hindert uns eigentlich nichts daran, kreativ und mit Verstand nach unseren Möglichkeiten zu suchen, wie wir trösten und helfen können.
Es ist unser Auftrag als Christen, heute mit Jesus Kafarnaum Wirklichkeit werden zu lassen.
Kafarnaum – das Dorf des Trösters…
Seien Sie gesegnet und bleiben Sie behütet! Ihr P. Guido