Ostersonntag 2021 – Kol 3,1-4 und Joh 20,1-18
Liebe Mitchristen,
alle Evangelien stimmen darin überein, dass es Frauen gewesen sind, die am ersten Wochentag, früh - noch dunkel war es - als erste das Grab Jesu besucht haben. Und alle Evangelien stimmen darin überein, dass eine von ihnen Maria aus Magdala gewesen ist. Und so stimmen auch alle Evangelien darin überein, dass der erste Ostermorgen im Grunde eine Zeit der Frauen war, die als die ersten sahen und dem Unglaublichen begegneten, das da geschehen war.
Johannes spricht in seinem Evangelium nur von einer Frau, von Maria aus Magdala eben. Sie erscheint bei ihm als Liebende, die mit dem Kreuzestod Jesu alles verloren hat, was ihrem Leben Halt und Ausrichtung gab. Jetzt ist sie auf der Suche nach dem, was von ihrem einstigen Glück geblieben ist: Sie ist auf der Suche nach einem Leichnam. Das leere Grab lässt sie durchaus nicht an die Auferweckung ihres geliebten Herrn und Meisters denken - wo auch hätte es so etwas je gegeben -, sondern nur daran, dass dieser Leichnam, der ihr alles bedeutet, weggenommen worden ist. Sie kann sich von Grab nicht trennen, beugt sich sogar hinein, ist noch ganz auf den Tod hin orientiert, ja so kann man sagen, fixiert. Man muss auf die kleinen Hinweise im Text achten, damit man das Geschehen wirklich wahrnehmen kann, damit man selbst eine Chance hat, auf die Spur des revolutionären Geschehens der Auferstehung zu kommen, geht es uns in der Erfahrung der Trauer über den Verlust geliebter Menschen doch ganz ähnlich wie dieser Freundin Jesu. Maria von Magdala befindet sich in ihrer Betroffenheit und Trauer draußen, noch außerhalb der Möglichkeit neuer Erfahrung und damit auch der Erkenntnis des neuen Lebens. Sie bleibt gefangen in der Blindheit des Nicht-Verstehens, im Dunkel des Todes. Deshalb können ihr die beiden Engel die Auferstehung auch nicht zusprechen. Sie können ihr das leere Grab nicht deuten, sie würden tauben Ohren predigen. Feinfühlig lässt der Evangelist sie lediglich fragen: „Frau, warum weinst du?“ (Joh 20,13). So kann sie den inneren Druck mindern und ihr Herz ausschütten.
Erst als Maria von Magdala spürt, dass einer hinter ihr steht und als sie sich umwendet, sich also vom Grab, dem Symbol des Todes, weg und dem Leben wieder zuwendet, sieht sie, zunächst freilich nur, was sie im Zusammenhang mit der räumlichen Situation, dem Garten, vermuten kann: den vermeintlichen Gärtner. Auch von ihm lässt sie sich befragen nach ihrem Schmerz und ihrer Liebe. Und immer noch ist es der Tote, den sie nehmen, haben, festhalten möchte. Immer noch ist sie rückwärtsgewandt, möchte den Leichnam konservieren, möchte die Vergangenheit bewahren. Erst als Jesus sie mit ihren Namen anspricht, das heißt, sie in ihrer Einmaligkeit und Besonderheit ernst nimmt und damit die persönliche Beziehung zu ihr wieder aufnimmt, lässt sie ab von ihrer auf den Toten fixierten Suche und wendet sich nun wirklich um, hin zum Lebenden. Ihrem Rabbuni, ihrem lieben Meister, stammelt sie ihr Osterbekenntnis.
Damit aber ist die Ostererfahrung noch nicht vollendet und abgeschlossen. Sie möchte immer noch festhalten, diesmal nicht mehr den Toten, sondern den Lebenden und so ihren neuen Glauben und ihr neues Glück. Sie möchte diesem Augenblick der innigsten Begegnung Dauer verleihen, möchte ihre neue Erfahrung vom Leben für sich behalten. Da ist ein entscheidender Hinweis auch für uns, die wir mit Maria von Magdala dem Auferstandenen begegnen. Der Evangelist möchte uns deutlich machen, dass es im Glauben niemals um das „Festhalten“ gehen kann. Glaube an den Lebendigen ist ein dynamisches Geschehen und es ist ein soziales Tun.
„Halte mich nicht fest!“ (Joh 20,17),hört Maria ihren Jesus sagen, und das will heißen, der Auferstandene lässt sich nicht vereinnahmen, nicht über sich verfügen. Sie und wir müssen begreifen: Erst als Maria hingeht und ihre Freude den Jüngern mitteilt, findet sie zu ihm und damit zum Leben, das ihr nun niemand mehr nehmen kann - zu einem Leben in der Gemeinschaft der Glaubenden. Denn keiner kann für sich allein glauben, keiner auch seinen gegenwärtigen Glaubensstand aus Bewahrungsangst festhalten wollen; immer gilt es, sich zu öffnen im Glauben zu immer neuer Erfahrung und zu immer neuem Glück. Glaube wird und wächst durch das Teilen und Mitteilen.
Ihr aus dem Schauen geborenes und vom Glauben getragenes Zeugnis: „Ich habe den Herrn gesehen!“ (Joh 20,18)ist der Kern der Botschaft des Osterfestes. Und weil Maria aus Magdala gesehen und in der Weitergabe ihrer Erfahrung geglaubt hat, dürfen auch wir glauben, was sie gesehen hat. Die Welt um uns und die Generationen nach uns leben nicht in erster Linie aus dem in zahllosen Büchern gesammelten Glaubenswissen, sondern von jenem Glauben, den jeder einzelne von uns bekennt, durch sein Leben bezeugt und mit anderen teilt. Auf diesem Weg verdichtet sich und wächst, was die Mitte unseres Christseins ausmacht: Der Herr ist wahrhaft auferstanden aus dem Tod! Er lebt in unserer Mitte!
Ihnen und Euch allen ein gesegnetes und vom Licht des Ostertages erfülltes Osterfest!
Ihr und Euer P. Guido