Predigt zum 33. Sonntag im Jahreskreis – C – Mal 3,19-20b; 2 Thess 3,7-12 und Lk 21,5-19
Das Kirchenjahr neigt sich dem Ende zu und ebenso das Lesejahr des Evangelisten Lukas in der Sonntagsliturgie. Der besondere Blickwinkel, die ureigene Perspektive des Lukas wurde im Verlauf des Jahres immer wieder sichtbar. Auch heute lassen wir unseren Blick von ihm lenken. Für ihn ist die angesprochene Zerstörung des Tempels schon Wirklichkeit und ein Ereignis der Vergangenheit, als er sein Evangelium aufschreibt. Die Welt ist damit allerdings nicht untergegangen, wie es manche als es endzeitliches Geschehen erwartet haben. Lukas holt die schlechten Nachrichten seiner Zeit in einer Art aufklärerischen Form in den Blick der Christen seiner Leserschaft. Auch für uns hört sich, was er zu sagen hat, an wie mancher Nachrichtenblock unserer Tage. Man muss nur bestimmte Begriffe austauschen und schon ist man in der Realität des Zeitgeschehens angekommen. Terror und Kriege wüten unvorstellbar grausam, rauben zahllose Leben und reißen nieder, was Menschen aufgebaut haben. Katastrophen, teilweise von Menschen gemacht, teils von der Natur verursacht, versetzen uns Menschen mit großer Regelmäßigkeit in Angst und Schrecken. Kleinere oder größere Katastrophen in der privaten persönlichen Welt tun das ihre, um uns immer wieder Angst zu machen. Selbst die Ankündigung, dass Unheilspropheten auftreten und uns mit falschen Deutungen zu verführen versuchen, trifft ohne Einschränkung auf die Gegenwart zu. Alle diese Bedrohungen und Unsicherheiten machen Angst, mit zum Teil fatalen Folgen: Angst lähmt. Sie schränkt auch die Solidarität unter Menschen ein. Wer große Angst vor Migranten und Flüchtlingen hat, kann nur schwer solidarisch mit ihnen sein. Wer Angst um sich selbst hat, beginnt um sich zu schlagen. Wer Angst vor Verlust hat, neidet allen anderen, was sie haben, und beginnt Mauern zu bauen. Angst hindert am Leben und am Lieben. Was hilft da?
Nun, wir brauchen angesichts solcher Fakten Botschaften und Impulse, die Mut machen und heilende Kraft haben. Ist positives Denken vielleicht der Schlüssel? Ehrlich, was wir brauchen, ist mehr als nur positives Denken. Wir brauchen auch keine moralische Erweckungs- und Ruckpredigt. Wir brauchen etwas, das uns von der Angst heilt und uns gleichzeitig ermutigt, unser Leben in der rechten Balance zwischen Ängsten und zuversichtlicher Hoffnung zu gestalten. Da dürfen wir uns auch nichts vormachen: Es wird immer Situationen und Geschehnisse geben, die in Angst und Schrecken versetzen. Genau dort, wo die Welt enger wird und unübersichtlicher und chaotischer braucht es eine besondere Perspektive und einen besonderen Blick auf die Dinge.
Diese Perspektive und diesen Blick schenkt uns der Evangelist, denn die Worte des Evangeliums wollen uns die Augen für die Nähe Gottes in allen unseren Lebenssituationen öffnen. Deshalb heißt es: „Lasst euch nicht erschrecken!“ (Lk 21,9). Das Evangelium redet die bedrohlichen Vorgänge nicht klein oder verharmlost sie. Das ist wichtig, um sie richtig deuten zu können. Aber wichtiger als die Bedrohungsszenarien sind die Zusagen an jene, die sich ängstigen. Das sagt Christus: Denen, die verfolgt werden, wird der Herr die Worte und die Weisheit eingeben, sodass die Gegner sich geschlagen geben müssen. Und den Verfolgten wird kein Haar gekrümmt werden. Sie werden das Leben gewinnen. Den Angstgeplagten wird zugesichert, dass da einer bei ihnen ist und dafür einsteht, dass sie nicht untergehen. Wir kennen das aus anderen Geschichten der Bibel: Habt keine Angst, dieser Zuruf zieht sich wie ein roter Faden durch die Botschaft des Neuen Testaments. Mit diesem Satz zeigt sich der Auferstandene den Jüngern. Und der gilt heute so wie damals. Ich wollte, wir könnten aus tiefstem Herzen dieses Wort allen Menschen zurufen, gerade heute, am Welttag der Armen, den Papst Franziskus im Jahr 2016 in seinem Abschlussschreiben „Misericordia et miseria“ („Die Barmherzigkeit und die Erbärmliche“ – Jesus und die Ehebrecherin – cf. Joh 8,1-11) zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit angeregt hat.
Aber wie können wir auf solche Worte vertrauen? Das ist nur möglich, wenn wir die Worte des Evangeliums als Erweis des Vertrauens zwischen Jesus und dem Vater im Himmel, zwischen Jesus und den Jüngern und auch zwischen Jesus und den Christen durch die Geschichte der Kirche verstehen. Und: Indem wir dieses Wort aus unserem Vertrauen auf die Nähe Gottes mit Leben aus dem Evangelium füllen und allen zurufen, die von Ängsten und Nöten gequält werden.
Das ist nämlich kein Zuspruch für das Ende aller Dinge. Das ist vor allem eine Botschaft für die Gegenwart zu allen Zeiten. Vertrauen, so wie Jesus sein Vertrauen auf die Nähe des Vaters lebte, wie es in der Auferweckung von den Toten bestätigt wurde und uns vom Herrn weitergegeben wird, ist keine Unmöglichkeit, sondern ganz klar die Lebenseinstellung der Christen für das Hier und Heute. Aus diesem Vertrauen heraus wird die Angst überwunden. „Wer Glauben hat“, sagt der heilige Papst Johannes XXIII. „zittert nicht!“ Weltuntergangsszenarien gibt es ja nicht nur für das Ende aller Dinge. Solche Szenen erleben wir auch persönlich: Wenn sich Lebenspläne in Luft auflösen, wenn Beziehungen schwierig werden oder gar zerbrechen. Wenn dann die persönliche Welt aus den Fugen gerät und alles zu wanken beginnt, dann sagt Jesus dir und mir: „Lass dich nicht erschrecken!“ Er wird mich herausreißen, wenn ich Angst habe, im Chaos zu versinken, wenn ich nicht mehr weiß, wo oben oder unten ist – so hat er ja den Petrus aus den Fluten gerettet, herausgerissen, damals am See Genezareth, als der rief „Herr, rette mich!“ So sind wir aufgerufen, die Mitmenschen in Not, die Armen und Schwachen herauszureißen durch unser Engagement und ihnen zu einem menschenwürdigen Leben zu helfen.
Keiner von uns muss sich die Zuwendung und Nähe Gottes verdienen. Sie ist einfach da, weil Gott zu Jesus und damit zu jedem von uns sagt: „Du bist mein geliebtes Kind, meine Tochter, mein Sohn! Ich will, dass du am Ende das Leben gewinnst. Bleib standhaft und treu in mir, so bin ich in und mit dir.“ – Und unsere Mitmenschen können sie greifbar spüren und mit ihren Sinnen wahrnehmen, wenn wir sie ihnen in gelebter Liebe weitergeben.
Seien Sie gesegnet und behütet!
Ihr P. Guido















