Predigt zum 16. Sonntag im Jahreskreis – C – Gen 18,1-10a; Kol 1,24-28 und Lk 10,38-42
Das ist so eine Sache mit den Übersetzungen der Hl. Schriften. Im griechischen Text unseres Evangeliums von heute steht: „...ten agathaen merida... den guten Teil hat Maria gewählt ...“ Noch in der Fassung des Evangeliums der sogenannten Einheits-Übersetzung vor 2016 steht genau an dieser Stelle: „Maria hat das Bessere gewählt“ (Lk 10,42). Der „gute Teil“ – „das Bessere“ – Also geht es nicht darum, wer von den beiden Schwestern die Begegnung mit Jesus geistlich ertragreicher nutzt. Genau unter diesem Aspekt hat man diese Stelle des Evangeliums immer wieder ausgelegt und hat sie auch auf christliche Lebensformen übertragen: Besinnlich leben und Tätigsein wurden gegeneinander abgewogen und ausgespielt. Ein kontemplatives Leben der Meditation und des Gebetes wurde als fruchtbarer für den Glauben angesehen als ein Leben im Dienst füreinander. „Das Bessere“, was ist das? –
Dabei geht es in dieser Situation der Gastfreundschaft schlicht und einfach nur darum, beides im Zusammenhang zu sehen: Die hörende Aufmerksamkeit füreinander und die tätige Sorge gehören zusammen. Wie wäre es denn gewesen, wenn Marta und Maria, die beiden Freundinnen Jesu, nachdem sie sich ausgiebig mit ihm unterhalten hätten, vielleicht auch zusammen mit ihm das gemeinsame Mahl vorbereitet hätten? So lebt man Gemeinschaft neu!
Es liegt an uns, wie wir uns der Begegnung mit Jesus widmen. Das will uns diese kleine Glaubensgeschichte des Evangeliums, die Lukas erzählt, vor Augen halten. Manchmal braucht es ungeteilte Aufmerksamkeit in der Begegnung mit Jesus. Ein anderes Mal genügt es vielleicht, einfach nur zu wissen, dass er da und nahe ist, wie ein guter Freund oder eine Freundin und man begreift das Wort der großen Mystikerin Theresa von Avila, die ihren Schwestern sagte, dass Gott auch in den Kochtöpfen wohnt? Die Grundlage unseres Glaubens ist das Bewusstsein der Nähe und Anwesenheit des Herrn. Mit dieser Nähe und mit dem Bewusstsein dieser Anwesenheit Jesu in allen Situationen des Lebens umzugehen, dazu will diese kleine Glaubensgeschichte des Lukas helfen. Manchmal braucht es zuerst, das rechte Hinhören auf den Herrn, damit die nachfolgende Tat auch im rechten Sinn geschehen kann. Die Begegnung mit Jesus ist so etwas wie ein Modell, eine Blaupause für die Begegnung mit Gott selbst in unseren Mitmenschen.
Von der französischen Mystikerin der Straße Madeleine Delbrel (1904-1964), sie lebte mit ihren Gefährtinnen in einem glaubensfremden, -gleichgültigen und oft dem christlichen Glauben sogar feindlich gesinnten Umfeld, lese ich in ihrer Schrift „Wir Nachbarn der Kommunisten“ (Einsiedeln 1975, S. 52-53):
„Wir Leute von der Straße, sind ganz überzeugt, dass wir Gott so sehr lieben können, als er Lust hat von uns geliebt zu werden. /…/ Wir finden Gebet sei Aktion und Aktion sei Gebet, uns will scheinen, ein wahrhaft liebendes Tun sei ganz von Licht erfüllt. /…/ Darum einen auch unsere kleinen Taten, in denen wir nicht zwischen Gebet und Aktion unterscheiden können, die Liebe zu Gott und den Brüdern (und Schwestern) vollkommen. /…/ Dann wird das Leben ein Fest. Jede kleine Unternehmung ist ein so gewaltiges Ereignis, worin uns das Paradies geschenkt wird, das wir weiterverschenken können. Egal, was wir zu tun haben: ob wir einen Besen oder eine Füllfeder halten. Reden oder stumm sein, etwas flicken oder einen Vortrag halten, einen Kranken pflegen oder auf einer Schreibmaschine hämmern. All das ist nur die Rinde einer herrlichen Realität, der Begegnung der Seele mit Gott in jeder erneuten Minute, die an Gnade zunimmt, immer schöner wird für ihren Gott.
Man läutet? Schnell, aufgetan! Gott ist es, der uns lieben kommt. Eine Ankunft? ... Bitte … Es ist Gott, der uns lieben kommt. Zeit, sich zu Tisch zu setzen? Gehen wir: es ist Gott, der uns lieben kommt.
Lassen wir ihn gewähren.“
„Das Gute“, von dem das Evangelium spricht, dieses Gute beispielhaft in der Begegnung von Maria, Marta und Jesus, ist die Offenheit in jedem Menschen den zu entdecken und sich ihm zuwenden, der der Liebe bedarf in Gottes Namen. Und es ist unsere Berufung als Christen, diese Liebe und Gastfreundschaft in unserer Welt zu leben und sichtbar zu machen. Dann werden wir auch begreifen, dass Gott nicht nur im Gebet oder auch in den Kochtöpfen wohnt, sondern überall dort, wo man ihn einlässt. Nochmal: Gott wohnt, wo man ihn einlässt.
Seien Sie gesegnet und behütet in Gottes Liebe!
Ihr P. Guido