Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.
Predigt zum 27. Sonntag im Jahreskreis (B) – Gen 2,18-24 und Mk 10,2-12
Eine grundlegende Ehekatechese begegnet uns heute. Ich entscheide mich, diese Anregung des Evangeliums aufzunehmen, gerade mit Blick auf die vielfältigen Diskussionen über die Ehe und andere Lebensgemeinschaften in unserer Gesellschaft. Ich möchte mit Ihnen über das, was da im Evangelium gesagt wird, ein wenig nachdenken.
In der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern über die Ehescheidung verweist Jesus auf den Anfang. Man muss wissen: Wenn in der Bibel vom Anfang gesprochen wird, dann ist nicht an Vergangenes gedacht, das für das Hier und Heute keine Bedeutung hat. Die Erzählungen vom Anfang sprechen vielmehr von dem, was immer ist und immer gilt. So ist und gilt es zu jeder Zeit, dass Gott den Menschen nicht als Einzelnen, sondern auf Gemeinschaft hin entworfen hat. Denn: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist“ (Gen 2,18).
In der Lesung haben wir gehört, dass den Menschen kein anderes Geschöpf von seiner Einsamkeit befreien kann. Nichts entspricht ihm so, dass er darin Antwort auf sein Verlangen fände. So schenkt ihm Gott eine „Hilfe“, die ihm wirklich entspricht, „Bein von seinem Bein, Fleisch von seinem Fleisch“. Der Mann erkennt in der Frau und die Frau in dem Mann den anderen Menschen. Und beide finden ihre Bestimmung darin, „ein Fleisch“ zu werden. Dieser Anfang ist immerzu Gegenwart. Der Blick richtet sich auf die von Gott vorgegebene Ordnung der Schöpfung, auf die naturgegebene Grundlage der menschlichen Lebensgemeinschaft der Ehe. Wenn sich also zwei zur Lebensgemeinschaft der Ehe verbinden, dann möchten sie zusammengehören und zusammenbleiben. Dass es so oft misslingt, verstellt nicht die Sehnsucht nach einer solch innigen Gemeinschaft. Mann und Frau sind auf wechselseitige Lebenshilfe aus, auf „geben und nehmen“, auf „verstehen und vergeben“, auf „sein und werden“. Wo Mann und Frau einander lieben, wollen sie nicht mehr voneinander lassen. Genau darin ist der Anfang wirksam. Es ist, als ob sich Gott an seine Vision vom Morgen der Schöpfung stets erinnert.
Aber ist das realistisch, oder ist es nur ein Traum - Gottes Vision? Selbst noch jene, die in ihren Ehen scheitern, tragen die Sehnsucht nach glückender Einheit in sich. Darum suchen viele eine neue Chance, in der sie doch noch finden können, wonach sie verlangen. Behalten wir im Blick: Die Vorgabe der Schöpfungsordnung ist der Schlüssel für die innige Lebensgemeinschaft Ehe – Gottes Vision von der innigen Verbundenheit von Mann und Frau.
Als Jesus gefragt wird, warum denn Mose erlaubt hat, eine Scheidungsurkunde auszustellen,sagt er: „... nur weil ihr so hartherzig seid“ (Mk 10,5).Das harte Herzist ein Bild dafür, dass verloren gehen kann, was nur die Liebe vermag. Das menschliche Herz, das weit und warm sein soll, kann dort eng und kalt werden, wo Besitzdenken, Angst und Herrschaftsverhalten die Oberhand gewinnen. Dann wird der Mensch daran gehindert, Gottes Traum und sicher seinen eigenen vom Einssein mit dem Partner zu verwirklichen. Das harte Herz verhindert das Einssein. So erlässt schon Mose eine „Notordnung“, weil auch die kranke Welt ihre Regelungen braucht, damit sie nicht noch mehr durcheinandergerät. Jesus aber möchte von der „Notordnung“ wegführen in das Licht des Anfangs hin zur Vision Gottes. Wenn Jesus vom harten Herzenspricht, dann denkt er an das, was beim Propheten Ezechiel angesagt ist. Da ist davon die Rede, dass Gott den Menschen „das Herz von Stein aus ihrer Brust nimmt und ihnen ein Herz von Fleischgibt“ (vgl. Ez 11,19). Die Herrschaft Gottes (vgl. Mk 1,15 par) begründet diesen heilenden Einfluss. Der Geist Gottes, der in Jesus wirkt, verändert die Herzen derer, die glauben. Wer sich vom Evangelium ergreifen lässt, wird von Gottes Traum erfüllt; dann kann es bei aller Schwäche gelingen, „Ehe“ als eine glückende Gemeinschaft zu leben. Jesus verkündet kein neues Gesetz; Gesetze helfen nicht wirklich – weder damals noch heute. Jesus zeigt und vermittelt vielmehr die neue Nähe Gottes, in der die Herzen der Menschen neu füreinander schlagen. - Und das nicht nur in der Ehe.
Ganz sicher waren auch die Gemeinden der ersten Christen keine heile Welt; aber es wurden für die überkommene Lebensgemeinschaft der Ehe Wege eröffnet, wie ein verstehender und vergebender Umgang miteinander gelingend zusammenführen kann. Nicht zuletzt öffnet Jesu Weg eine Kultur, die belastbare Beziehungen stiftet und in der die einen die anderen nicht länger beherrschen müssen. Deswegen sprechen die Christen von der Ehe als „Sakrament“ – als „einem wirkmächtigem Zeichen der Liebe Gottes“ und unsere Schriftstelle bei Markus ist die Grundlage dafür. Damit ist gesagt, dass die Christen es als Zeichen von Gottes liebendem Handeln erfahren, wenn ihnen das Einssein in der Ehe gelingt. Das ist wichtig für diejenigen, die sehen möchten, was Gott dort möglich ist, wo Liebende sich ihm glaubend öffnen.
In einer Parallelstelle lässt der Evangelist Matthäus Jesus noch von der „Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen“sprechen (vgl. Mt 19,12). Sie ist der Ehe gegenüber nicht der einfachere aber auch nicht der schwerere Weg. Sie ist vielmehr die notwendige Ergänzung: In der christlichen Ehe wird die Intimität der Liebe gelebt – die offene Türe zum anderen – und in der Ehelosigkeit muss die Liebe gelebt werden, die Gott einen anderen Zugang zur Welt öffnet, – die offene Türe zum Himmel –. Ehe wie Ehelosigkeit öffnen sich auf Gott hin, der die Liebe selbst ist. Es kommt darauf an, wozu sich jede und jeder von uns berufen weiß und wofür wir uns mit Gottes Hilfe entscheiden. Um verantwortete Bindung geht es in jedem Falle, vor allem aber um die Treue und das unablässige Bemühen, den als richtig erkannten Weg bis zum Ende und bis zum Ziel weiterzugehen. Die Verbindung soll geheilt und nicht zerstört werden. Dabei haben wir nicht zu urteilen über die, deren Lebensentscheidung aufgrund oft tragischer Umstände nicht gelingen konnte.
Wenn wir heute noch andere Lebensgemeinschaften im Blick haben, dann sind diese im christlichen Sinn entsprechend der gottgegebenen Ordnung keine „Ehe“ als „Sakrament“ und können auch durch einen wie immer gespendeten Segen nicht dazu gemacht werden. Insofern in ihnen allerdings die wahre Liebe, die in Gottes Liebe wurzelt, gelebt wird, haben wir alle Gottes Segen mehr als nötig!
Seien Sie gesegnet und behütet! Ihr P. Guido