Einfach unvorstellbar, oder?
Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag 2020 – Eine Brücke zu Gott – (Joh 3,16-18)
Vor etlichen Jahren hörte ich die Ansprache eines Pfarrers aus meiner pfälzischen Heimat zum heutigen Fest. Er sprach davon, dass sich in ihm so ziemlich alles sträuben würde, über das Glaubensgeheimnis der Hl. Dreifaltigkeit zu sprechen. Es käme ihm so vor, als würde er, vergleichbar mit dem Gerede über intime Beziehungen zwischen Menschen, die sich ja oft undurchsichtig, unbegreiflich und ziemlich kompliziert darstellen, sich erdreisten, indiskret aus menschlicher Sicht über die inneren Beziehungen zwischen Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist zu reden. Und weiter, sagte er, dass alles, was er an Glaubenslehre studiert und gelesen habe, ihm ziemlich fragwürdig und ganz sicher übersetzungsbedürftig erscheine. Die entscheidende Frage, die sich bei aller notwendigen theologischen Erörterung der Glaubenslehre über die Heilige Dreifaltigkeit in ihm gehalten habe, sei – und ich denke, das ist sie auch heute –: Was bedeutet das Fest für mich – für uns?
Mir scheint das in unserer Zeit, die auch bei Katholiken gezeichnet ist von immer weniger Kenntnis der Hl. Schrift und schwindendem Glaubenswissen, auch der entscheidende Aspekt. Was bedeutet es, dass wir, wenn wir von Gott reden, ihn als Vater, Sohn und Heiligen Geist sehen, und von drei Personen in einer Wesenheit sprechen?
Keine Angst! Ich möchte hier keine dogmatische Erörterung veranstalten oder eine theologische Vorlesung halten. So sagt schon der hl. Gregor von Nyssa im 4. Jahrhundert: „Gott kann nicht erkannt, sondern nur erstaunt werden.“ Vom hl. Augustinus stammt das Wort: „Könntest du Gott begreifen, so wäre er nicht Gott.“ Und der Schriftsteller Graham Greene sagte einmal: „Ich würde mich weigern, an einen Gott zu glauben, den ich verstehen könnte.“ Ich denke, der Weg über einige meditative Gedanken in die Thematik ist richtig.
Wie kann ich mich Gott nähern und ihn kennen lernen? Damit beginne ich. Als Mensch zunächst menschlich. Sich einem anderen zu nähern bedeutet, ihn zu akzeptieren, so wie er ist. Das heißt, ich achte ihn, lasse ihn in seinem Sein und seiner Selbstäußerung sein, wie er sich gibt und wie er ist. Möglichst unvoreingenommen nehme ich wahr. So ist es auch in der Annäherung an Gott: Es geht zuerst darum, Gott als DU zu akzeptieren und zu achten. Nun scheint uns Gott so fern, unbegreiflich, ungreifbar, wir haben eigentlich keine Vorstellung und auch kein Bild von ihm und auch keinen Ort. Gott ist Gott. Er passt nicht in unser Denk- und Vorstellungsvermögen. Wenn er da hineinpassen würde, wäre er nicht Gott. Der große Theologe Thomas von Aquin spricht von Gott als dem einzigen und wirklich vollkommenen Sein. Aber, was im Menschlichen ist vollkommen? Das ist ein Widerspruch in sich: Je größer wir von Gott denken, desto mehr scheint er uns zu entschwinden, desto unvorstellbarer wird er. Ich sagte es eben: Eigentlich fehlt uns ein Bild, eine Vorstellung von Gott. Stimmt diese Aussage? Nein! Da ist einer in Raum und Zeit gekommen, der durch sein ganzes Sein, seine Worte, sein Leben, seine Begegnungen sichtbar gemacht hat, wer und wie Gott ist. Die Gottesvorstellungen der Menschen, die Mythen und Bilder der Philosophen, sie sind nicht haltbar und sie verschwinden bei ernsthafter Betrachtung bis in unsere Tage. Denn es gibt Jesus von Nazareth.
Der Gott Jesu, den er „Vater“ nennt, ist anders. Er ist einer, der sich der Kleinen und Schwachen annimmt, der Armen und der Kinder, der ungerecht Behandelten, der Verfolgten und, der niemals den Tod will für jene, die er liebt, sondern die Fülle des Lebens, das ewige Leben. All das kommt, wir hörten davon im heutigen Evangelium, im Gespräch Jesu mit dem suchenden Nikodemus zur Sprache (vgl. Joh 3,1-21). Der unbegreifbare und ferne Gott selbst hat eine Brücke zu uns Menschen gebaut: Jesus von Nazareth. Aber: Jesus ist keine Verkleinerung Gottes, kein Scheinwesen und auch nicht irgendein Abklatsch oder eine Kopie des unfassbaren Gottes. Hier gilt, was ich vorher sagte: Ich muss auch ihn so lassen, wie er sich gibt, sich offenbart. Und weil menschliche Sprache in ihrer Unvollkommenheit nie alles erfassen und ausdrücken kann, deshalb sprechen die Evangelisten, oder auch ein Paulus, stammelnd vom Gottes- und Menschensohn Jesus Christus. Mit ihnen sehe ich in Jesus Gott, in dem mir die unfassbare Liebe und das ganze Sein des Vaters begegnet. Und dass ich ihm begegnen und ihn wahrnehmen kann, das hat mit der Kraft zu tun, die alles durchwirkt: Gottes Geist, Gottes Lebens-Atem, Heiliger Geist. Er macht die Liebe Gottes sichtbar und ist der Brückenbauer, damit ich mich Gott nähern kann.
Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist finden wir - darin erschließt sich auch mehr und mehr die Bedeutung dessen, was der lebendige Gott für uns sein will, - überall dort, wo wir Spuren seiner bedingungslosen Liebe finden: In Menschen, die wirklich lieben, in Familien, in Lebensgemeinschaften, im Einsatz für Notleidende, in Gemeinschaften des Glaubens, in der Gemeinschaft der Kirche, immer dann, wenn die bedingungslose Liebe im Geiste Jesu und im Geiste des Vaters keine Grenzen zieht, keine Orts- und Landesgrenzen, keine Sprach- und Zeitgrenzen, keine Grenzen der Rassen, der Hautfarbe, keine Grenzen ihrer Liebe. Wenn so das Wunder geschehen kann, dass sich im Geist dieser Liebe Menschen verstehen und miteinander zu leben suchen, dann kommen wir Gott, so wie er ist, näher. Ja, „Gott kann nur erstaunt werden“, sagt Gregor von Nyssa.
Da ist beglückende Erfahrung möglich. Reich Gottes, Reich der Himmel nennen es die Evangelisten. Aber wie weit sind wir im Blick auf unsere Kirche und Welt davon entfernt?
Dennoch ist das Evangelium „Frohe Botschaft“. Genau das wird in diesem Fest des „Einen Gottes“ deutlich. Jesus spricht es vor Nikodemus aus: Der Vater beauftragt den Sohn nicht zur Durchführung eines Strafgerichtes, sondern Gott liebt die Welt so sehr, damit jeder der an den Sohn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat (vgl. Joh 3,17f). Voraussetzung des Lebens ist die Entscheidung zum Glauben, die Annahme der Einladung zur Gemeinschaft mit Gott. Unglaube ist nicht der bekümmerte oder auch berechtigte Zweifel und das Ringen um die rechte Erkenntnis. Unglaube ist allein die widerspenstige, egoistische und misstrauische Ablehnung der angebotenen Liebe Gottes. Seine Einladung zum Leben mit ihm bleibt gültig. Die Ablehnung führt nicht zu einem richtenden Gott, sondern zum tragischen Selbstgericht des Menschen.
Wer die Einladung annimmt, der geht auf die Brücke zur Fülle des Lebens, zur großen Gemeinschaft der Ewigkeit.
Ich erbitte für Sie den Segen des Dreifaltigen Gottes und bleiben Sie behütet!
Ihr P. Guido