Predigt zum 1. Advent – A – Jes 2,1-5; Röm 13,11-14a u. Mt 24,37-44 (Kurzfassung)
Im „Gotteslob“, dem katholischen Gebet- und Gesangbuch finden wir den Hinweis: „Das Kirchenjahr und der Weihnachtsfestkreis beginnen mit dem Advent (lat.: „adventus“ = Ankunft). Ab dem 4. Sonntag vor Weihnachten bereitet sich die Kirche auf das Kommen des Gottessohnes zu uns Menschen vor. Dies geschieht in dreifacher Hinsicht: durch die Erwartung, dass Christus wiederkommt und am Ende der Zeiten die ganze Schöpfung vollenden wird, durch die Vorfreude auf das Fest seiner Geburt und durch die Bereitschaft, sich für seine Gegenwart im Heute zu öffnen“ (Gotteslob Nr. 217,4). Recht plakativ werden uns diese Hinweise für die Adventszeit vor Augen gestellt, und zwar so, als sei es völlig selbstverständlich, dass auch alle Christen sie in der Praxis ihres Christenlebens nutzen.
Das hier entscheidende Stichwort heißt also „Erwartung“. Schauen wir ganz allgemein auf dieses Stichwort. Es kann schon spannend sein, jemanden oder etwas zu erwarten. Das gilt besonders dann, wenn etwas Wichtiges davon abhängt. Da wartet man auf eine hoffentlich gute Nachricht, auf einen lange erwarteten Besuch, auf eine Zeit der Ruhe im Stress.
Natürlich bereitet man sich vor. Räumt vielleicht die Wohnung auf. Die Sinne sind aufmerksam: Ich schaue aus dem Fenster oder höre, ob sich Schritte nähern, ob das Telefon klingelt oder das Handy Signal gibt. Spannung baut sich auf. Die Erwartung lässt das Herz schneller schlagen. Und wenn der erwartete Zeitpunkt näherkommt, kann man unruhig werden. Und wenn derjenige oder das, worauf ich warte, sich verzögert oder überhaupt nicht kommt, dann steigert sich die Spannung immer mehr, Panik droht oder Wut oder gar Resignation.
Als der Kirchenvater Tertullian im dritten Jahrhundert das Wort „Advent“ in die Sprache der Kirche einführte, als er die Übersetzung des 1. Thessalonicherbriefes aus dem Griechischen ins Lateinische vornahm, hat er mit dem lateinischen Wort „Advent“ – „Ankunft“ das griechische Wort „parusia“ – „Ankommen/Dabeisein, um zu helfen“ übertragen. Der Blick auf den griechischen Wortsinn macht klar, dass es da nicht einfach nur um das Ankommen geht, sondern um das vollendende Wirken Gottes im Kommen und Dasein Jesu. So heißt es an der genannten Stelle des Thessalonicherbriefes: „Er selbst, der Gott des Friedens, heilige euch ganz und gar und bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt, damit ihr ohne Tadel seid bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus“ (1 Thess 5,23).
Die Erwartung Jesu Christi soll also einen zeitlichen Raum prägen, in dem Gott selbst die Wartenden für die Begegnung zurüstet und gestaltet. Der Advent des Herrn ist also weniger ein künftiger Zeitpunkt als vielmehr ein gegenwärtiger geistlicher Raum, in dem man erwartungsvoll leben und „an Leib und Seele“, also in jeder Dimension des Menschseins offen sein soll für Gottes Wirken und Nähe. Erwartung meint so die Grundhaltung der Offenheit und der Hoffnung auf die liebend wirkende, helfende und vollendende Hand Gottes.
Damit sind wir beim Evangelisten dieses beginnenden Lesejahres (A) angekommen: Matthäus. Der Name bedeutet: „Gottes Geschenk“. Interessant ist, dass er bei Lukas und Markus mit dem Namen „Levi“ und „Sohn des Alphäus“ genannt wird (Mk 2,13-17 u. LK 5,27-32). Hat Jesus ihm den Namen „Matthäus“ – „Gottes Geschenk“ gegeben? Er war als Zöllner von den Juden als Sünder verachtet und verhasst, da man die Zöllner in ihrer Kollaboration mit den Römern sah. Ihm schreibt man das mit seinem Namen genannte Evangelium zu, und sein besonderes Anliegen, das in dieser Schrift deutlich wird, ist das „Menschsein“ Jesu und die Erfüllung der Verheißungen, die im Alten Testament von Gott her ausgesprochen sind. Der Verfasser des Matthäusevangeliums schafft in seinem Evangelium einen besonderen Raum des göttlichen Wirkens in der Lebensgeschichte Jesu, beginnend mit einem ausführlichen Stammbaum (Mt 1,1-17) und endend mit der Zusage an die Jünger, bis zum Ende der Welt bei ihnen zu bleiben (Mt 28,19). In diesen Raum des göttlichen Wirkens nimmt uns der Evangelist mit. Im heutigen Textabschnitt spannt er einen weiten Bogen von den Tagen des Noach bis hin zum Kommen des Menschensohnes. Er will die Spannung und Erwartung auf das Kommen des Herrn hin aufbauen und halten. Deshalb hält er diesen Raum offen: Es ist ungewiss, wann wir dem wiederkommenden Herrn begegnen. Er hält die Spannung mit Blick auf das erste Kommen des Herrn und auch im Ausblick auf die Wiederkunft Christi am Ende der Zeit. Niemand weiß, wann der letzte Tag kommt. Bei den alltäglichsten Dingen, der Arbeit auf dem Feld und dem Mahlen des Getreides, kann jeden das Ende treffen. Deshalb: „Seid also wachsam“ (Mt 24,42), und: „Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet“ (Mt 24,44).
Wenn wir die Bräuche des Advent in der Spannung zwischen Erwartung und Hoffnung sehen und gestalten, wenn wir so diesen Zeitenraum der vorweihnachtlichen Tage als eine Chance begreifen, uns auf Gott und die Begegnung mit ihm im kommenden und wiederkommenden Jesus zu bereiten, dann sind wir ganz auf der Spur des Evangelisten Matthäus. Und wir können Schritt für Schritt mit ihm und mit den Texten seines Evangeliums dem Gnadenwirken Gottes im Menschen- und Gottessohn Jesus näherkommen.
Indem wir uns nach ihm hin ausstrecken, werden die Dunkelheiten unseres Lebens hell werden – dafür stehen die Lichter am Adventskranz, die wir nach und nach anzünden. Wir werden die Worte der Propheten z.B. eines Jesaja neu hören und die Sehnsucht der Menschen durch die Zeiten hindurch nach Frieden und Heilung spüren. Wir werden den Vorläufer Jesu, den Wüstenmenschen Johannes sehen und am Ende das kleine und doch ganz große JA Mariens begreifen, der Mutter und Jungfrau, die uns Christus geboren hat und auch des Josef, der mit eingebunden ist in den Heilsplan Gottes. Wir sind eingeladen in den Raum der Gnade. Das will die beginnende Adventszeit sein.
Ihnen eine gesegnete Zeit und bleiben Sie behütet!
Ihr P. Guido















