Predigt 23. Sonntag i. Jahreskreis – C – Weish 9,13-19; Phlm 9b-10.12-17 u. Lk 14,25-33
Ganz sicher kennen sie das Spiel: „Die Reise nach Jerusalem“.
Nun, damit es ihnen wieder vor Augen steht, hier der Ablauf:
Da stehen Stühle in der Mitte des Raumes. Es ist immer ein Stuhl weniger als es Mitspieler sind. Ein Lied wird gesungen oder die Melodie gespielt. Die Mitspieler wandern um die aufgestellten Stühle. Und plötzlich bricht das Lied ab. Jetzt muss man sich schnell einen Platz auf den Stühlen suchen. Ha! Einer war nicht schnell genug. Pech! Alle Plätze sind besetzt. Er muss ausscheiden.
Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. So heißt es im 9. Kapitel des Lukasevangeliums:
„Es geschah aber: Als sich die Tage erfüllten, dass er hinweggenommen werden sollte, fasste Jesus den festen Entschluss, nach Jerusalem zu gehen“ (Lk 9,51).
Der Weg nach Jerusalem. Dort ist das Ziel. Das Ziel heißt: Kreuz und Auferstehung. Miteinander unterwegs lehrt Jesus die Weggemeinschaft der Jünger und sicher auch der Jüngerinnen, was dieser Weg bedeutet.
Heute hören wir so etwas wie „Regeln“ für den Weg der Nachfolge. Wir werden spätestens jetzt einwenden: Die sind doch gar nicht zu schaffen! Diese Regeln sind eine Zumutung! Hören wir noch einmal hin: „Wenn jemand zu mir kommt und nicht seinen Vater und seine Mutter und seine Frau und seine Kinder und seine Brüder und seine Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein“ (Lk 14,26). Oder später: „Ebenso kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet“ (Lk 14,33). Zusammengehalten werden diese strengen Nachfolgeworte von dem Wort: „Wer nicht sein Kreuz trägt und hinter mir hergeht, kann nicht mein Jünger sein" (Lk 14,27).
Da findet kaum einer einen Platz auf dem Stuhl der Reise nach Jerusalem! Oft hat man in der Geschichte der Kirche die Worte Jesu mit diesen harten Forderungen so interpretiert, dass man sagte, man müsse die radikalen Formen der Nachfolge eben besonderen Gruppen zuweisen, beispielsweise Mönchen oder Nonnen, Ordensleuten oder Klerikern. Dann hören sich Worte wie diese eben als besondere Anweisungen Jesu für besondere Gruppen an und haben keine Auswirkungen für die sogenannten „einfachen Leute“. Aber ist das wirklich so?
Jesu Anliegen ist es, für das Reich Gottes zu werben. Er will von Gott her alle Menschen ermutigen, sich und ihr Leben so auf Gott auszurichten, damit der gute Wille Gottes zur Fülle des Lebens konkret sichtbar und greifbar wird. Und er möchte, dass das JA zu diesem Weg ein freies JA wird, gesprochen mit Überzeugung und nüchterner Einschätzung und in der Vorfreude auf das Kommende. Deshalb geht er ohne Umschweife zur Sache. Ausschließen möchte Jesus niemand. Vielmehr möchte er, dass im gründlichen Abwägen und Überlegen vor der Entscheidung deutlich wird, worum es im Tiefsten geht: Wenn ich Christ sein möchte, dann geht es immer um das Reich Gottes, um das unendliche Leben Gottes für mich, für uns.
Wir müssen den Zusammenhang von Lebensart und Lebensziel begreifen. Damit dieser Zusammenhang gefestigt wird, bedarf es nüchterner Selbsteinschätzung. Deshalb das Beispiel des Bauherrn, der eine Bauruine hinterlässt und Spott erfährt, oder des Kriegsherrn, der die militärische Stärke seines Gegners völlig unterschätzt hat und scheitert.
Auf anderer Ebene betrachtet, kennen wir das ja auch: Wenn ich beim Aussuchen und Einkaufen von Waren oder Gebrauchsartikeln vergesse, dass ich an der Kasse vorbeimuss, dann kann man am Ende dumm dastehen, wenn das Geld oder der Kreditrahmen der Scheckkarte nicht reicht. Wer sich die Empfehlung zu nüchterner Selbsteinschätzung zu Herzen nimmt und gleichzeitig auch die Motivation der Vorfreude einbezieht, wird nach Hilfen für eine kritische Selbstprüfung der eigenen Absicht fragen. Wie könnten die Hilfen für uns lauten?
Eine erste Hilfe könnte sich an einem Wort jüdischer Weisheit ausrichten. Da heißt es von einem unbekannten geistlichen Lehrer: Die schlimmste Tat des Menschen sei es, zu vergessen, dass er „ein Königssohn, eine Königstochter“ ist. Will sagen, bei uns ist es Gott selbst, der König des Himmels, der uns bei ehrlichem Bemühen den Kreditrahmen seiner Gnade und Barmherzigkeit geöffnet hat, denn wir sind nach Jesu Wort Kinder des Vaters im Himmel. Also sind wir Königstöchter und Königssöhne!
Eine zweite Hilfe der eigenen Ortsbestimmung ist für mich ein Wort des jüdischen Theologen und Denkers Martin Buber, der einmal sagte: „Der Augenblick ist Gottes Gewand!“ Jetzt zu leben, ehrlich und offen mit Hand und Herz, und den Augenblick dankbar anzunehmen, das bringt uns ins Heute Gottes. Mit ihm zu leben heißt: Das Gestern in Gottes Hand legen, das Morgen aus seiner Hand empfangen und das Heute in Gottes Hand zu leben.
Und eine dritte Hilfe: Achte darauf, was dein Herz, dein Innerstes besetzt! Hier entscheidet sich die Frage, was wirklich wichtig ist. Das Herz ist das symbolische Organ für die verborgenen Reichtümer und für die Wahrheit des Lebens. Also: Was besetzt das Herz?
Natürlich spielen wir nicht das Spiel „die Reise nach Jerusalem“. Die Reise, auf die Jesus uns nach dem Evangelisten Lukas mitnehmen möchte, ist der Weg unseres Christseins. Und auf diesem Weg gibt es, obwohl der Weg kein Spiel ist, dennoch so etwas wie einen ganz speziellen Joker: Es ist die vertrauende Liebe, dass Gott uns immer helfend zur Seite steht. Wie wäre es dann, im Angesicht unseres eigenen Unvermögens, ihm kindlich flehend zu sagen: „Du kennst mich Herr, du kennst meine Schwächen und Sehnsüchte. Lass mich dich und deine Liebe immer mehr erkennen, damit ich mit all meinen Lieben und mit dir den Weg durch Kreuz und Tod zum Leben finde.“
Seien Sie gesegnet und behütet in der Liebe Gottes!
Ihr P. Guido