Besitz besetzt das Herz und den Verstand
Predigtzum18. SonntagimJahreskreis–C–Kol3,1-5.9-11 und Lk 12,13-21
Da ist einer aus dem Volk, wie Lukas schreibt, einer von uns – so könnten wir heute wohl sagen –, einer, dem Unrecht geschieht, dem sein Erbe vorenthalten wird. Warum auch immer, das wissen wir nicht. Das Problem kennt man. Im Normalfall schafft Erben Streit und Konflikte. Aus Erfahrung, mitleidig und vielleicht ein wenig schadenfroh, fragt mancher: Redet ihr noch miteinander in der Familie, oder gab es schon Streit ums Erbe? Nun, ja, da ist einer aus dem Volk, der wohl denkt, Jesus würde sich für ihn einsetzen. Weit gefehlt: Jesus bügelt den Bittsteller rigoros ab. Nein, das mache ich nicht, was fällt dir ein, mich darum überhaupt zu bitten, du Mensch – und diese Anrede hören wir erst richtig, wenn wir es als ein Schimpfwort hören. Warum ist Jesu so unsensibel? Seine Begründung: Vor Habgier hütet euch! Besitz besetzt das Herz und den Verstand und lenkt ab vom Wesentlichen. Schnell kommt ein Einwand... man muss doch vorsorgen. Das Sprichwort sagt es: „Geld macht nicht glücklich, aber es beruhigt, wenn man es hat...“
Liegen wir denn richtig, wenn wir Jesus als jemand verstehen, dem Besitz und ein modernes Verständnis von Vorsorge oder gar Wohlstand völlig abgeht? Ganz sicher sind Fragen der Ökonomie nicht die Fragen Jesu – obwohl er schon mal Beispiele auch aus diesem Bereich des Lebens zur Erläuterung seiner Botschaft verwendet.
Also, das ist schon eine besondere Gesellschaft um diesen Jesus, die Gemeinschaft der Jünger und der Jüngerinnen. Ob einer dazugehören und mit Jesus unterwegs sein kann, der mehr als nötig an Besitz hat, das ist zweifelhaft. Vor allem, wenn er oder sie an dem Besitz hängt – oder der Besitz an ihm oder ihr. Habgier als eine der Todsünden, das kennen wir. Habgier kennen wir zugleich als Antrieb bei etlichen Berufen und menschlichen Leidenschaften nicht nur heute. Wenn Menschen gefragt werden, was sie sich für ihr Leben erträumen, dann steht der Wunsch nach einem hohen Einkommen ganz oben. Der Apostel Paulus spricht allerdings davon, die Dinge so zu benutzen, als benutze man sie nicht (vgl. 1Tim 6,17). Besitz und wie man damit umgeht als Christ, war immer ein Thema in den Gemeinden.
Dabei ist die Warnung Jesu vor Habgier durchaus missverständlich. Es handelt sich ja noch nicht mal um eine spezifisch christliche Erkenntnis: Dass man Geld nicht essen kann, dass am Ende des Lebens jedem der eigene Tod zugemutet wird, in dem sich alle eigene Habe nicht mehr als wertvoll erweist, das könnte jeder und jede von uns wissen. „Das letzte Hemd hat keine Taschen“, sagt die Volksweisheit. Weil wir nicht so gern dran denken, so wenig, wie die Menschen zu Jesu Zeiten gern daran gedacht haben, lässt Lukas nun in seinem Evangelium Jesus noch eine erklärende Geschichte erzählen. Der Inhalt: Hab und Gut, Geld und Besitz helfen dir irgendwann nicht mehr. Auf Heute angewendet können wir ergänzen: Computer und Flugzeuge auch nicht und ebenso nicht Immobilien oder Aktien. Das ist die Grundaussage. Wobei die Hauptperson der lukanischen Erzählung keineswegs als unsympathisch geschildert wird in ihrer Suche nach einer Lösung des drängenden Problems.
Schauen wir also auf die Geschichte, die Jesus erzählt: Ein reicher Mensch steht vor einer Frage, die ihn sehr beschäftigt: Er hat viel zu viel Ertrag auf seinen Feldern zu erwarten. Dafür reichen die vorhandenen Lagerkapazitäten bei weitem nicht aus. Er sieht das Problem, er befragt sich selbst und findet eine angemessene Antwort, wie er meint: vorhandene Lager abreißen, größere bauen und dort alles verwahren, was ihm gehört. Den erwarteten Besitz also sichern. Dann kann er sich zurücklehnen. Er hat alles richtig gemacht. Er kann die Früchte seiner Anstrengung genießen auf viele Jahre.
Das ist sehr modernes Denken. Das ist nicht nur schlau, das ist auch Gewinn optimierend und insofern passend zu der Art, wie viele von uns heute leben, ob sie wollen oder nicht. Wer versucht, diesen Weg zu verändern, wird schnell als versponnen oder weltfremd angesehen.
Wie wäre es mit einer kleinen Geschichte als Kontrast?
An einem südlichen Strand sitzt ein Fischer und schaut auf das Meer. Da kommt ein Tourist und sieht den Fischer einfach so da sitzen und auf das Meer schauen. „Guter Mann“, sagt der Tourist, „nutzen Sie doch die Zeit aus, fahren Sie noch mal hinaus und fangen mehr Fische.“ „Warum sollte ich das tun?“, fragt der Angesprochene, ohne sich umzudrehen. „Ja, dann könnten Sie mehr Fisch verkaufen, könnten ein größeres Boot kaufen, könnten schließlich Leute anstellen, die statt Ihnen rausfahren und fischen. Vor allem hätten Sie viel mehr Geld.“ „Und was meinen Sie, was ich dann machen soll, wenn ich dann so reich sein werde?“ „Dann könnten Sie in Ruhe am Strand sitzen und auf das Meer schauen.“ Da dreht sich der Fischer um, langsam und bedächtig, wie es seine Art ist, schaut den Fremden lange an und sagt: „Aber das mache ich doch gerade. Ich sitze da und schaue auf das Meer. Nur manchmal stört mich einer wie Sie.“
Die Störung für den reichen Bauern im Evangelium ist viel elementarer. Er wird sterben. In der Nacht, in der er endlich alles fertig hat, im Moment, wo er sich zurücklehnt und genießen will. Und sein Besitz, seine ganze Vorsorge, seine Mühe und Arbeit, all das wird ihm überhaupt nichts mehr nutzen. Wem wird es gehören? Irgendjemand anderem, vielleicht einem oder mehreren Erben. Besitz, an dem man hängt, besetzt das Herz und den Verstand. Gibt es nicht viel Wichtigeres? Damit kehren wir zum Anfang zurück: Jesus steht als Schlichter in Vermögenssachen nicht zur Verfügung. Keine Frage! Keine Kompromisse!
Und es bleibt für uns die Frage: Wovon und wofür lebe ich? Und: Was ist wirklich wichtig?
Seien Sie gesegnet und behütet! Ihr P. Guido