Anfangen mit dem, was da ist, und Danken und Teilen
Predigt zum 17. Sonntag im Jahreskreis – B – 2 Kön 4,42-44; Eph 4,1-6 u. Joh 6,1-15
An diesem und den nächsten vier Sonntagen begegnen wir in den Evangelien nicht dem Evangelisten Markus. Es ist Johannes, der uns das Wort des Jesu vermittelt. Das hat nichts mit der Kürze des Markusevangeliums zu tun – es ist kürzer als die Evangelien des Matthäus, des Lukas oder des Johannes –, sondern vielmehr mit dem, was uns jetzt auch in der Abfolge des Markusevangeliums als Inhalt begegnet: Die sogenannte „Speisung der Fünftausend“ oder wie es allgemein heißt „die Brotvermehrung“.
Außer der Leidensgeschichte Jesu ist keine Geschichte des Evangeliums so einhellig in allen Evangelien überliefert wie diese Geschichte von den „fünf Broten und zwei Fischen“ (vgl. Mt 14,13-21; Mk 6,31-44; Lk 9,10-17 u. Joh 6,1-15). Offensichtlich muss diese Geschichte erzählt werden, wenn man überhaupt von Jesus sprechen will. Die Evangelisten sind alle davon überzeugt, dass man nur dann von Jesus erzählen kann, wenn man wahrnimmt, dass er Augen hat für das „tägliche Brot“. Und, dass Jesus Probleme anpackt bei dem, was da ist, auch wenn das nach sehr wenig aussieht – „Was sind schon fünf Brote und zwei Fische für so viele?“ (vgl. Joh 6,9) – Zudem kommt das Wenige, so erzählt es nur Johannes, auch noch von einem Kind! –
Es muss davon gesprochen werden, dass Jesus gerade für das Wenige Gott dankt und beginnt zu teilen, auszuteilen… Spätestens jetzt muss man davon reden, wie unglaublich das Vertrauen und der Glaube Jesu ist, dass das Ausgeteilte reichen wird, um alle satt zu machen. Nochmal: Es wird reichen, wenn man bei dem anfängt, was da ist, wenn man dankt und beginnt zu teilen. Wer hat diese Geschichte schon einmal so betrachtet? So ist sie ja erzählt: Ohne den Glauben, ohne den Dank, ohne das Austeilen wären die Fünftausend damals so hungrig geblieben, wie viele, die heutzutage hungrig bleiben. Zweihundert Denare, so sagt es Philippus, reichen nicht aus, um alle notdürftig zu versorgen (vgl. Joh 6,7).
Da ist noch etwas, was wir hören sollten: „Dann nahm Jesus die Brote, sprach das Dankgebet und teilte an die Leute aus, so viel sie wollten; ebenso machte er es mit den Fischen“ (Joh 6,11). Das erinnert sofort an die Worte im Hochgebet der Hl. Messe! Das ist beabsichtigt. Bei allen Evangelisten findet sich dieser innere Zusammenhang. Da ist ein Gleichklang zwischen dem Geschehen im Abendmahlssaal und der Speisung der Fünftausend zu vernehmen. Deshalb wird Johannes für seinen Teil später auch vom Brot des Himmels sprechen und von Jesus selbst, der dieses Brot ist. Doch greifen wir nicht vor.
Keine Geschichte in den Evangelien außer der Leidensgeschichte ist so einhellig bei allen Evangelisten erzählt wie dieses Speisungswunder. Dennoch hat jeder von ihnen einen Schwerpunkt entdeckt und erzählt ihn auch. Johannes, den wir heute gehört haben, lenkt den Blick auf die Reaktion der Menschen auf Jesu Handeln. Sie wollen und sie hören dabei auf ihren Bauch, darauf, dass Jesus sie auch weiterhin satt machen soll. Sie halten ihn für die bessere Lösung als die im Lande herrschende Obrigkeit. Mit Gewalt wollen sie ihn zu ihrem König machen (vgl. Joh 6,15). Diese Reaktion der Menschen kennen wir auch: Die Erfahrung, dass jemand sich kümmert, endet schnell im Wunsch nach dem „starken Mann“, dem totalen Problemlöser für alles. Das aber ist nicht die Sache Jesu. Das ist auch bis heute nicht sein Weg. Wir sollten das auch nicht erwarten. Das betont der Evangelist Johannes. Jesus entzieht sich den Menschen und auch uns, wenn wir wie sie denken. Gott will nicht den starken Mann spielen, auch wenn es uns schwerfällt, das anzunehmen. Er will nicht der gewünschte Problemlöser sein. Vielmehr gibt Gott, was notwendig ist, um Probleme anzugehen im Miteinander, im Austausch und mit Verstand, mit unseren Gaben und Fähigkeiten und Manchem mehr. Manchmal ermutigt er uns aber auch in seinem Geist, damit wir die Schwierigkeiten aushalten, sie durchleiden, durchbeten und vor allem unsere Wünsche loslassen, indem wir lernen, völlig auf die Liebe Gottes zu bauen. So können wir durchlässig werden für sein Handeln. Dann kann „Wunderbares“ geschehen!
Das ist der Weg Jesu: Sich genauso ganz im Vertrauen auf Gott werfen und seiner Liebe allein vertrauen. Also: Anfangen mit dem, was das da ist, und Danken und Teilen. Es wird ausreichen und es bleibt sogar noch in Fülle übrig – zwölf Körbe voll! – erzählt der Evangelist (vgl. Joh 6,13). Jesus, das vermittelt uns Johannes eindringlich, führt uns weg von einem „Gottesbild“, in das wir unsere Wünsche nach dem „starken Mann“ hineinphantasieren. Gottes Macht, seine „Allmacht“, hat mit magischem Fingerschnippen nichts zu tun und auch nichts mit einer letzten Risikoversicherung und schon gar nichts mit Gewalt. Die Geschichte von der „Speisung der Fünftausend“ ist keine Märchenerzählung und auch keine lapidare Wundergeschichte, sondern deutliche Herausforderung an die Christen und an den Glauben, eine Herausforderung, die verlangt, zu nutzen, was da ist – wenn es auch wenig ist –, die auffordert, zu danken und zu teilen im Vertrauen auf Gottes Hilfe. So wird Jesus durchlässig für Gott und seine Liebe und auch wir sind dazu gerufen. Gott wirkt durch den Menschen, durch seinen Glauben, auch wenn der nur so groß ist wie ein Senfkorn.
Später werden wir hören, was Jesus denen sagt, die ihm nachgelaufen sind: „Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid“ (Joh 6,26). Das ist keine platte Kritik an den Menschen, die er ja gespeist hat, sondern die Aufforderung, hungrig zu sein und zu bleiben nach Gott und der Lebensfülle, die er allein geben kann.
Jesus zieht sich zurück auf den Berg in die Nähe des Vaters.
Jesu Speise ist es, den Willen Gottes zu tun bis in den Tod und hinein in die Auferstehung. Und wir sollten endlich darüber nachdenken und miteinander reden, wie wir zusammen und ebenso jeder und jede einzelne durchlässiger werden können für Gottes Liebe. Dazu braucht ER uns Christen auch heute, um den Hass, die Gewalt, den Hunger, die Vereinsamung und nicht zuletzt das Böse zu überwinden.
Seien Sie gesegnet und behütet durch seine Liebe!
Ihr P. Guido